Verführung der Sirenen

Eine Filmkritik von Marie Anderson

Entzückende Weiblichkeiten zwischen Unschuld und Raffinesse

Ein zauberhafter Ort, inspiriert von Kunst und Kultur inmitten einer Idylle mit einer überwältigend verführerischen weiblichen Präsenz voll sinnlichen Drängens vermag selbst die widerständigste Natur in (un)gehörige Unruhe zu versetzen. Mit Verführung der Sirenen / Sirens von 1994 hat der britisch-australische Filmemacher John Duigan ein heiteres Stück mit einer derartig dichten erotischen Atmosphäre inszeniert, die sich zwischen zaghafter Unschuld und frecher Raffinesse bewegt und auf ganz charmante Weise die Moralvorstellungen der verkrusteten Gesellschaft zu Beginn der 1930er Jahre herausfordert.
Der erfolgreiche Maler Norman Lindsay (Sam Neill) lebt mit seinem illustren familiären und künstlerischen Dunstkreis auf einem wunderschönen kleinen Anwesen in der weiten Landschaft Australiens. Mit zum Haushalt gehören seine Frau Rose (Pamela Rabe), seine beiden kleinen Kinder und die drei entzückenden jungen Frauen Sheela (Elle Macpheron), Giddy (Portia de Rossi) und Pru (Kate Fischer), die für den ebenso produktiven wie provokativen Künstler Modell stehen. Die wilden Grazien verbreiten eine von vagen bis gezielten sexuellen Energien aufgeladene Stimmung, die sich noch verschärft, als das in dieser Hinsicht äußerst zurückhaltende Ehepaar Reverend Anthony (Hugh Grant) und Estella Campion (Tara Fitzgerald) aus England eintrifft.

Der Reverend reist in der Mission, den aus kirchlicher Perspektive allzu unorthodoxen Maler auch christlicher Motive mit äußerst brisanter Qualität zu größerer Zurückhaltung zu bewegen, zumal das Werk „Die gekreuzigte Venus“ der laufenden Ausstellung einen absolut unkeuschen Eklat darstellt – eine nackte Schönheit am Kreuz erscheint den Machtzentren der Kirche dann doch allzu blasphemisch. Angekommen im sündigen Paradies findet das zunächst unangenehm berührte Paar derart aufregend freizügige Verhältnisse vor, dass ihre unentdeckten Sehnsüchte nach schwindelnder Erotik ans Licht drängen, wobei es vor allem die distanzierte Estella ist, die den Attacken der jungen Sirenen und schließlich der elektrisierenden Nähe einer entflammten Männlichkeit erliegt. So sehr sich Anthony bemüht, mit engagierten Theorien die kirchliche Moral zu verfechten, so sieht er gleichzeitig mit eigenen Augen, wie machtvoll und durchaus angenehm sich das verfemte Territorium gestalten kann – mit diesen Frauen im Haus hat der eher wortkarge, doch genau beobachtende Künstler Norman eindeutig die spürbar besseren und ungeheuer anschaulichen Argumente.

Verführung der Sirenen ist eine kurzweilige, verschmitzte Komödie mit einem frischen Ensemble und ansprechenden Bildern, die nicht allein auf Grund ihrer erotischen Komponente sehenswert sind, sondern auch die Konstellationen der Figuren kunstvoll dokumentieren und vor allem die harmonische Körperästhetik innerhalb der natürlichen Umgebung für sich sprechen lassen. Neben der wichtigen Wandlung innerhalb der Haltung des zuvor recht zugeknöpften christlichen Paares ist es vor allem die trefflich repräsentierte Entwicklung der erwachenden Sexualität der jungen Frauen, die ohne die üblichen sozialen Beschränkungen verläuft und sich somit nur durch sie selbst gezügelt entfalten kann – so heftig und aufwühlend, wie sie nun einmal wirkt. Von den wenigen ausführlichen Disputen über Kunst und Moral einmal abgesehen ist diese Komödie eindeutig ein Stoff, der sich nicht auf intellektuelle Debatten, sondern auf das Vergnügen der Sinneswahrnehmung konzentriert, dessen bildlicher Ausdruck allein durch Blicke mitunter mehr transportiert als gescheite, wortreiche Betrachtungen es vermöchten.

Verführung der Sirenen

Ein zauberhafter Ort, inspiriert von Kunst und Kultur inmitten einer Idylle mit einer überwältigend verführerischen weiblichen Präsenz voll sinnlichen Drängens vermag selbst die widerständigste Natur in (un)gehörige Unruhe zu versetzen.
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