Haus Bellomont

Eine Filmkritik von Marie Anderson

Elende Schicksalsjahre einer New Yorkerin

Wenn eine Person innerhalb enger gesellschaftlicher Konventionen in Ungnade fällt und nicht durch ein finanzielles Polster vom harten Aufprall gerettet wird, kann das verdammt schmerzhaft und zudem existentiell bedrohlich sein. Da werden Freunde rasch zu Fremden, aber ungleich seltener Fremde zu Freunden, so dass angesichts der gewaltigen, wachsenden Ohnmacht die elendige Einsamkeit lauert, wenn man es verpasst, den schwierigen Sprung in ein ganz anderes Leben zu wagen. Das historische Melodram Haus Bellomont / The House of Mirth nach dem gleichnamigen Roman der US-amerikanischen, sozialkritischen und politisch engagierten Pulitzer-Preisträgerin Edith Wharton (1862-1937) entwirft den tragischen Lebensweg einer jungen Frau, die auf Grund ungünstiger Konstellationen in eine Abseitsposition gerät, deren grausamer Mechanismus ein Entkommen schier unmöglich macht.
Die gehobene Gesellschaft von New York City zu Beginn des 20. Jahrhunderts: Die junge, aufgeschlossene Lily Bart (Gillian Anderson) beschäftigt sich verstärkt mit dem Thema einer passenden Heiratspartie, da es nun einmal für sie den herrschenden Normen nach an der Zeit wäre. In ihrem Umfeld gibt es durchaus ein paar mehr oder weniger aufrichtige Verehrer, doch üppig sieht es keineswegs aus, und Lily fehlt auch noch die notwendige Entschlusskraft, zumal der Anwalt Lawrence Selden (Eric Stoltz) ausgesprochen anziehend auf sie wirkt, mit dem sie befreundet ist, der allerdings nicht vermögend ist und selbst eine eheliche Verbindung mit ihr nicht in Betracht zieht.

Der verheiratete Gus Trenor (Dan Aykroyd), der ein begehrliches Auge auf sie geworfen hat, hilft ihr vorübergehend aus pekuniären Schwierigkeiten, doch ihre finanzielle Krise spitzt sich zu, zumal ihre Erbtante Julia Peniston (Eleanor Bron), bei der sie lebt, ihren Lebensstil wenig schätzt und sie prompt nach ihrem baldigen Tod im Testament nur mit einem kleinen Pflichtteil berücksichtigt. Als Lily in den Verdacht gerät, eine Affäre mit dem Ehemann eines befreundeten Paares zu unterhalten, wird sie innerhalb der High Society zur Unperson, auch wenn anfänglich noch ihre Freundin Carry (Elizabeth McGovern) sie unterstützt. Der soziale Abstieg in Isolation und Armut beginnt, so sehr sich die verzweifelte junge Frau auch bemüht, nunmehr innerhalb der arbeitenden Bevölkerung Fuß zu fassen, und rasch geht es nicht mehr nur um ihre Postion, sondern ums pure Überleben …

Die Liste der frequentierten Festivals, Nominierungen und Auszeichnungen, die Haus Bellomont international erhielt, ist lang, doch ein guter Erfolg an den Kinokassen stellte sich für das ausführliche Drama nicht ein. Die Darsteller zeigen ein differenziertes und engagiertes Spiel, das allerdings untereinander selten zündet und damit distanziert wirkt, was den Charakter der überwiegend funktionellen Beziehungen zwar unterstreicht, dem Zuschauer jedoch eine Nähe zu den Figuren verleidet, zumal keine einzige wirklich symphatisch erscheint. Die Betrachtung des Leidenswegs der Lily Bart, der zwar ausführlich und intensiv dargestellt wird, jedoch deutlich auf Mitleid zugeschnitten ist, lässt dabei aber die anfängliche Stärke der wachen Frau allzu plötzlich und peinlich weichen und gestaltet sich so konventionell wie die Gesellschaft, in der sie sich zu behaupten bemüht. Beinahe mag man ihr zurufen, doch einfach fortzugehen und dem unerträglichen Machtgehampel der Männer und auch der Frauen zu entfliehen, doch der britische Regisseur Terence Davies, der auch das Drehbuch nach der Romanvorlage verfasste, hat sich dafür entschieden, Lily erbärmlich scheitern zu lassen.

Auch wenn die Dramaturgie gegen Ende noch einmal an notwendigem Tempo gewinnt, enttäuscht der Schluss dann doch gewaltig, der überspitzt formuliert die Moral transportiert, dass es so eben den Frauen ergeht, die sich dem gesellschaftlichen Druck zu widersetzen wagen. Für den Roman von 1905 erscheint dies in ganz anderen Zusammenhängen, doch für die Verfilmung eines Frauenporträts aus dem Jahre 2000 wirkt diese unflexible Richtung wenig erfreulich, die allzu jämmerlich um sich selbst kreist und die Haltung zementiert, lieber pathetisch unterzugehen, wenn alle Freunde sich abwenden, als unkonventionelle Lösungen einzubeziehen – keine wünschenswerte Botschaft besonders an weibliche und andere Menschen ab zwölf, doch es ist auch kaum zu erwarten, dass ein jüngeres, kritisches Publikum die umfangreiche Länge des Films tatsächlich auskosten würde.

Haus Bellomont

Wenn eine Person innerhalb enger gesellschaftlicher Konventionen in Ungnade fällt und nicht durch ein finanzielles Polster vom harten Aufprall gerettet wird, kann das verdammt schmerzhaft und zudem existentiell bedrohlich sein.
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