Das rote Eichhörnchen

Eine Filmkritik von Marie Anderson

Eine heiter-mysteriöse Liebesgeschichte

Wenn ein Mann seines Lebens überdrüssig ist, aber vor dem entscheidenden Sprung hinaus noch zurückscheut, kann mit einem Mal wieder alles offen sein, vor allem dann, wenn unvermittelt ein hübsches Mädchen auftaucht. Ausgehend von dieser Situation hat der spanische Regisseur Julio Médem eine Liebesgeschichte inszeniert, die zwar auch mit den gängigen amourösen Klischees jongliert, jedoch einen ganz ungewöhnlichen Stil etabliert, der mittlerweile zu einem Markenzeichen des Filmemachers geworden ist.
Wollte sich der Musiker Jota (Nancho Novo) gerade in die tödliche Tiefe stürzen, ereignet sich direkt vor seinen Augen ein Motorradunfall, der seinem Schicksal eine ganz neue Option eröffnet. Denn die verunglückte Frau (Emma Suárez) hat bei dem noch glimpflichen Sturz offensichtlich ihre Erinnerungen an das eigene Leben verloren, und Jota gibt sie im Krankenhaus schlicht als seine Freundin Elisa aus – ein launisches Spiel, das der Zufall dem orientierungslosen Mann zugetragen hat. Jota entführt seine neue Gefährtin kurzerhand aus dem Krankenhaus und startet mit ihr in einen spontanen Urlaub, der sie auf den Campingplatz „Das rote Eichhörnchen“ führt. Plante Jota auch eher eine intensive Zweisamkeit, findet Elisa Gefallen an der Geselligkeit mit einer benachbarten Familie, deren Kinder in origineller Weise geradezu eine Parodie auf eine heile Familienwelt darstellen und deren seltsame Spiele auch die sich entwickelnde Beziehung zwischen Jota und Elisa berühren. Derweil wird Elisa, die eigentlich Sofía heißt, vermisst, vor allem von ihrem ehemaligen Liebsten Félix (Carmelo Gómez), der geradezu krank ist vor Sehnsucht nach ihr, die ihn bereits vor dem Unfall verließ und sich vor seiner unbändigen Leidenschaft versteckt hielt – und hiermit ist im Grunde bereits zu viel verraten, denn es sind neben der eindringlichen Symbolik die überraschenden Wendungen, die dem Film immer wieder eine unerwartete Spannung verleihen.

Es ist die Kombination von Banalität, stets sich erneuernden Verbindungen zwischen den Protagonisten innerhalb der Dramaturgie, krudem Witz, filigraner bis derber Erotik und wundersamen Elementen, die Das rote Eichhörnchen / La ardilla roja zu einem ebenso unterhaltsamen wie vielschichtigen Film werden lässt. Träume unterschiedlicher Figuren fließen ineinander und korrespondieren miteinander, Kreise innerhalb der Handlung schließen sich, um erneut eröffnet zu werden, und ganz charmante Nebenszenarien flankieren die Hauptereignisse. Da spielt das Radio immer wieder eine wichtige Rolle, musikalische Themen sowie sportlicher Ehrgeiz werden anschaulich ironisch inszeniert und vor allem die Kinder verkörpern als Zerrspiegel der Erwachsenenwelt Haltungen zwischen skurriler Solidarität und Denunziation.

Trotz des nahe liegenden Motivs geht es in dieser Liebesgeschichte, die mehrfach ausgezeichnet wurde, nur ganz vordergründig um Identität, und diese Bedeutungslosigkeit dieses doch so wichtigen, existentiellen Themas erscheint wie eine visionäre Botschaft, die auch von der augenscheinlich unter Amnesie leidenden Elisa transportiert wird. Worum es in Das rote Eichhörnchen aus der Perspektive seines Regisseurs vor allem geht, hat Julio Médem (Tierra, 1996, Lucia und der Sex / Lucía y el sexo, 2001) in einem kurzen, flüchtig geführten Interview, das sich auch als Bonus auf der DVD befindet, mit Liebe, Komödie und Rätsel, emotionalem Besitzdenken und Marxismus-Kritik umrissen, wobei sich der letzte Aspekt zweifellos nicht ohne einige theoretische Zwischenschaltungen erschließen lässt.

Das rote Eichhörnchen

Wenn ein Mann seines Lebens überdrüssig ist, aber vor dem entscheidenden Sprung hinaus noch zurückscheut, kann mit einem Mal wieder alles offen sein, vor allem dann, wenn unvermittelt ein hübsches Mädchen auftaucht.
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