3 und raus!

Eine Filmkritik von Verena Schmöller

Der Traum von Veränderung

Die Zusammenfassung von 3 und raus! hört sich an wie ein schlechter Witz. Ein U-Bahnfahrer überfährt in kurzer zeitlicher Abfolge zwei Menschen – das eine war ein Un-, das zweite Mal ein dummer Zufall. Komme innerhalb eines Monats ein drittes U-Bahn-Opfer hinzu, so die „goldene Regel“, würde der Fahrer – mit attraktiver Abfindung – aus dem Job entlassen. Also macht sich dieser auf die Suche nach einem Freiwilligen, der aus freien Stücken vor seine U-Bahn springt. So makaber der Stoff und so komödienreif der Film klingen mögen, 3 und raus! ist mehr als eine britische Komödie mit brillanten Darstellern – ein herzergreifender Film über Freundschaft und Verantwortung, über Träume, Sehnsüchte und Hoffnungen.
Paul Callow (Mackenzie Crook) lebt vom U-Bahnfahren in London, doch eigentlich hat er einen ganz anderen Traum – ein ruhiges Schriftstellerdasein in einem abgelegenen Einsiedler-Haus im schottischen Nirgendwo. Er spart seit langem, und mindestens genauso lange scheint das – bis auf die Überschrift zu seinem Roman – leere Word-Dokument auf der Festplatte seines Computers zu existieren. Da kommen Paul die beiden U-Bahn-Unglücke gerade recht.

Das erste Mal, dass Paul einen Menschen überfährt, ist ein Unfall. Ein Mann wird von seinem stürmischen Hund direkt vor die U-Bahn gezogen. Paul ist entsetzt, dass ihm so etwas passiert. Doch gleich, nachdem er seine Arbeit wieder aufnimmt, fällt ein zweiter Mann vor seine Bahn: Dieser hat auf dem Bahnsteig gerade einen Herzanfall erlitten und kippt auf die Schienen, so dass Pauls Tritt auf die Bremse nichts mehr verhindern kann. Als seine Kollegen den noch traumatisierten Fahrer antreffen, erzählen sie ihm von der „goldenen Regel“ der Londoner U-Bahn-Gesellschaft: Wer innerhalb eines Monats drei Menschen überfährt, der wird entlassen und mit einer großzügigen Abfindung entschädigt.

Sofort taucht vor Pauls innerem Auge das Bild vom anvisierten Haus in Schottland auf. Und somit setzt er sich nach Feierabend nicht, wie üblich, vor die erste Seite seines zu schreibenden Romans, sondern recherchiert nach Selbstmordwilligen, die sich möglicherweise vor seinen Zug werfen würden. Dabei trifft er auch auf Tommy Cassidy (Colm Meaney), der zum wiederholten Mal auf einer Brücke steht und kurz davor ist, sich hinabzustürzen. Bei einem Bier treffen die beiden eine schauerliche Vereinbarung: Nach dem Wochenende, an dem Tommy Pauls Monatsmiete auf den Kopf hauen darf, wird sich Tommy am darauffolgenden Montag vor Pauls U-Bahn werfen.

Paul traut dem verschlagenen Tommy nicht und begleitet ihn deshalb auf seine Reise nach Liverpool zu Frau und Tochter, die Tommy acht Jahre zuvor verlassen und bei denen er noch einiges gutzumachen hat vor dem geplanten Freitod. Natürlich passieren an diesem Wochenende so einige Dinge, die den Deal zwischen Paul und Tommy und so einiges andere ins Wanken, aber dann auch ins Rollen bringen.

3 und raus! ist zuallererst ein großartig besetzter Film, der Film des TV-Regisseurs Jonathan Gershfield lebt von seinen Hauptdarstellern: Mackenzie Crook mimt den jungen Paul mit einer steten Trostlosigkeit und gleichzeitigen Gleichgültigkeit im Gesicht – einen Mann, der sein Großstadtleben schon lange satt hat und doch nicht wirklich die Motivation aufbringt, die er bräuchte, um etwas daran zu ändern. Star Trek-Star Colm Meaney ist der selbstsüchtige Familienvater, der ebenfalls gerne mehr tun würde, um anders zu sein, als er ist. Jahrelang hat er seine Frau und die gemeinsame Tochter Frankie im Stich gelassen, obwohl er beide doch aus tiefstem Herzen liebt und sich für beide das allergrößte Glück des Lebens wünscht; dass er selbst dieses Glück sein könnte, realisiert er lange nicht – und steht damit dem eigenen Glück im Weg. Auch Imelda Staunton, die Tommys Frau Rosemary spielt und vielen Zuschauern als Dolores Umbridge des Harry Potter-Mehrteilers bekannt sein mag, ist eine gute Wahl – auch ihr glaubt man die Ambivalenz, die die Figur der Rosemary prägt.

Dem Film gelingt es, über seinen – sehr britischen – Humor hinaus nachdenklich zu stimmen über so vieles: Über die Pflichten, welche Familie, aber auch Freundschaften mit sich bringen und vor denen man sich nicht verschließen kann. Er zeigt, wie schwierig es ist, sich und seine Gewohnheiten zu ändern – auch wenn dies der größte Wunsch im Leben eines Menschen ist. In unaufdringlicher Weise und ohne dabei kitschig zu wirken, erzählt 3 und raus! von den Sehnsüchten und Hoffnungen seiner Figuren. Das macht den Film so authentisch und seine Figuren so überzeugend. Schade, dass es ein Film wie 3 und raus! nicht in die deutschen Kinos geschafft hat. Und umso besser, dass sich der Verleih SchröderMedia auch noch im Jahr 2012 traut, den Film von 2008 am 18. Oktober auf DVD herauszubringen – ein Glücksgriff.

3 und raus!

Die Zusammenfassung von „3 und raus!“ hört sich an wie ein schlechter Witz. Ein U-Bahnfahrer überfährt in kurzer zeitlicher Abfolge zwei Menschen – das eine war ein Un-, das zweite Mal ein dummer Zufall. Komme innerhalb eines Monats ein drittes U-Bahn-Opfer hinzu, so die „goldene Regel“, würde der Fahrer – mit attraktiver Abfindung – aus dem Job entlassen. Also macht sich dieser auf die Suche nach einem Freiwilligen, der aus freien Stücken vor seine U-Bahn springt.
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