Samstagnacht bis Sonntagmorgen

Eine Filmkritik von Marie Anderson

Die Antwort weiß nicht mal der Wind

Ein gewaltiger, undefinierter Lebenshunger schreit aus dem jungen, aufmüpfigen Fabrikarbeiter, der mürrisch seiner eintönigen Tätigkeit nachgeht, um sich an den knappen freien Tagen am Ende der Woche exzessiv zu amüsieren. Arthur Seaton (Albert Finney) versteht darunter überwiegend Streifzüge durch die örtlichen Pubs, den Genuss von dunklem Bier in rauen Mengen, das unverbindliche Anbändeln – so weit es eben geht – mit den lokalen Weiblichkeiten, die ihm wert und willig erscheinen und das Angeln mit einem Freund am Sonntagmorgen. Insgeheim unterhält er eine Affäre mit der zuwendungsbedürftigen Brenda (Rachel Roberts), die allerdings mit einem Kollegen Arthurs verheiratet ist, den er, ebenso wie die meisten Menschen seiner Umgebung, auf Grund seiner Angepasstheit im Stillen und manchmal auch offensiv verachtet. Arthur ist ein Mensch, der seine Umgebung einem albernen Lausbub gleich vor lauter unbestimmtem Unwillen mit derben Späßen wie toten Ratten auf dem Werktisch einer Kollegin und Schreckschussladungen im Hinterteil einer lästerhaft geschwätzigen Nachbarin attackiert, um sich von der lauen, anständigen Arbeitermoral der fünfziger Jahre des vergangenen Jahrhunderts abzugrenzen, ohne sich dabei etwa mit einem inhaltlichen Gegenentwurf für eine Rebellion zu positionieren, ganz im Stil von: Ich weiß nicht, wer oder was ich bin und was ich will, aber ich bin anders als Ihr, und ich schieß euch in den Arsch, verdammt, den Ihr dann nicht einmal vorzeigen könnt, so unansehnlich ist der im Verborgenen!
Doch ohne eigenes konkretes Konzept gibt es auch für Arthur nur die eine Richtung, in die das Schicksal ihn offensichtlich mit dem Erscheinen von Ernsthaftigkeit drängt, als seine Geliebte schwanger von ihm wird. Mit einem Mal ist er es, der von Brenda als unverbindliche Liebelei betrachtet wird, für die sie auf keinen Fall ihre Familie aufs Spiel setzen will. Arthur bietet an, Verantwortung für Brenda und das Kind zu übernehmen, doch diese wendet sich entschieden gegen das Kind und letztlich auch gegen ihn. Selbst bei den Bemühungen um einen Abbruch der Schwangerschaft unterstützt Arthur die verzweifelte Frau noch nach besten Kräften, die sich immer deutlicher von ihm entfernt und die Sicherheit der geordneten Verhältnisse sucht, nicht ohne auch zunehmend zugeneigter an das Kind in ihrem Leib zu denken.

Derweil macht Arthur die Bekanntschaft der resoluten, zunächst widerständigen Doreen (Shirley Anne Field), die ihn erheblich bezaubert, aber unumwunden auf eine verbindliche Beziehung aus ist, deren Territorien sie sich Schritt für Schritt bei Arthur erkämpft. Als Brendas Ehemann doch noch entdeckt, was da zwischen seiner Frau und seinem ungezähmten Kollegen läuft, lässt er diesen von zwei versierten Schlägern derart bearbeiten, dass er für eine Woche außer Gefecht gesetzt wird. So sehr er auch schimpft und flucht und die Doppelbesetzung der Prügelnden ins Feld führt, ist Arthur doch in dieser Angelegenheit endgültig geschlagen und weiß es, mit der Warnung versehen, Brenda nicht wiederzusehen. Und es ist Doreen, die nun für ihn da ist und langsam das mit einem Mal nicht unangenehm erscheinende Netz eines gewöhnlichen, zuvor von ihm verpönten und verhassten Lebensweges um seine Schwäche legt, in dem er nicht einmal mehr zappelt …

Samstagnacht bis Sonntagmorgen / Saturday Night And Sunday Morning ist die Melancholie in bewegten, schwarz-weißen Bildern von scheinbar zielloser Tristesse, die ihrem eigenen eingefahrenen Lauf nicht entkommen kann. Gleichzeitig ist es ein kühler Film, der seine lediglich spärlich aufflackernde Wärme nur durch teilweise intensive Distanzierungen erfährt, die sie letztlich wieder eliminieren. Es wäre nicht verwunderlich, wenn sich dabei jemand an den Sinn oder Unsinn des Daseins im Allgemeinen erinnert fühlen würde; eine Antwort wird er in diesem Film jedoch weniger erwarten dürfen, der sich von vornherein auch nur der Spekulation über eine solche vollkommen entzieht.

Samstagnacht bis Sonntagmorgen

Ein gewaltiger, undefinierter Lebenshunger schreit aus dem jungen, aufmüpfigen Fabrikarbeiter, der mürrisch seiner eintönigen Tätigkeit nachgeht, um sich an den knappen freien Tagen am Ende der Woche exzessiv zu amüsieren.
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