Der Schatz

Eine Filmkritik von Simin Littschwager

... ist der Film?

Der Film heißt Der Schatz und ist dabei selbst ein solcher: Lange Zeit galt das Regiedebüt des Regisseurs G. W. Pabst (Die freudlose Gasse, Die Büchse der Pandora) von 1923 als verschollen, bis es erst Jahrzehnte später im Prager Nationalen Filmarchiv wiederentdeckt wurde. Diese viragierte (d. h. eingefärbte) Fassung, nahezu komplett erhalten, wurde seit 1998 aufwändig restauriert und an einigen wenigen Stellen durch eine schwarz-weiße Fassung ergänzt; neu hinzugefügt wurden lediglich Vorspann und Zwischentitel, die nicht mehr vorhanden, aber anhand von Zensurkarten rekonstruierbar waren. Zudem konnte die originäre von Max Deutsch komponierte Filmmusik neu eingespielt werden, von der – eine echte Seltenheit – eine komplette Partitur in Schriftform existierte, so dass das Ergebnis der mühevollen Arbeit sich nicht nur sehen, sondern zugleich auch hören lassen kann.
Der Schatz, der sich stilistisch noch zwischen Expressionismus und Naturalismus bewegt, entstand nach einer Novelle des damals populären Schriftstellers Rudolf Bartsch und handelt von der Suche nach materiellen und immateriellen Schätzen: Gold und Liebe. In einer altertümlich anmutenden Glockengießerei lebt ein Glockengießer (Albert Steinrück) mit seiner Frau (Ilka Grüning), der Tochter Beate (Lucie Mannheim) und dem alternden Gesellen Svetelenz (Werner Krauß), der insgeheim in Beate verliebt ist und die fixe Idee hat, einen seit früheren Kriegszeiten angeblich im Haus versteckten Schatz zu finden, um Beates Liebe zu gewinnen. Das anfangs ausgewogene Viererverhältnis wird jedoch aus dem Lot gebracht, als mit dem jungen, gutaussehenden Goldschmied Arno (Hans Brausewetter), ein „lockerer Vogel“, wie er in einer Szene genannt wird, frischer Wind in die Glockengießerei kommt und Beate sich sogleich von Arno angezogen fühlt. Anfangs macht Arno, der bei einem nächtlichen Stelldichein mit Beate beobachtet, wie Svetelenz mit einer Wünschelrute ausgerüstet auf Schatzsuche geht, sich über diesen lustig. Bald darauf lässt er sich jedoch von Svetelenz’ Wahn ebenfalls anstecken und beteiligt sich an der Suche, freilich ohne zu ahnen, dass der alte Geselle finstere Pläne mit dem jungen Rivalen hat, sollte der Schatz erst gefunden sein…

Es ist ein beliebtes Motiv der dunklen Seite der Romantik, wie die Besessenheit von Gold einen Menschen in den Wahnsinn treibt, ohne dass dieser sich dessen erwehren kann, und so ist es zum einen Werner Krauß, der Schauspielstar des Weimarer Kinos, der in der Rolle des Svetelenz dem Film einen düsteren-romantischen Märchencharakter verleiht. Wirkt Svetelenz am Anfang lediglich etwas einfältig und grobschlächtig, entwickelt er im Verlauf des Geschehens beängstigend dämonische Züge, die mimisch meisterhaft gespielt und durch expressionistisches Spiel mit Licht und Schatten großartig in Szene gesetzt werden. Das zweite, den Film visuell prägende und überaus expressionistische Element ist das alte Glockengießerhaus selbst. In seiner labyrinthischen Verwinkeltheit könnte es einer Fantasie von M. C. Escher entsprungen sein und spielt eine im wahrsten Sinne des Wortes tragende Rolle bei der Schatzsuche. Nicht zuletzt auf Grund dieses architektonischen Meisterstücks ist Der Schatz ein sehenswerter Film, der nach seiner Erstaufführung zu Unrecht von zeitgenössischen Filmkritikern wie Lotte Eisner und Siegfried Kracauer wegen seines Stilmixes verrissen wurde und jetzt, über 80 Jahre später, die Chance bekommt, auf DVD neu entdeckt zu werden.

Die umfangreichen Extras (u. a. ein Interview mit Michael Pabst, dem Sohn von G. W. Pabst, der sich intensiv mit Leben und Werk seines Vaters auseinandergesetzt hat, eine Dokumentation über die Restaurationsarbeiten sowie ein Interview mit dem Stummfilm-Musiker Frank Strobel) sorgen dafür, dass dabei nicht nur die Pabst-Kenner und Experten der ersten Kinojahrzehnte auf ihre Kosten kommen.

Der Schatz

Der Film heißt Der Schatz und ist dabei selbst ein solcher: Lange Zeit galt das Regiedebüt des Regisseurs G. W. Pabst (Die Büchse der Pandora) von 1923 als verschollen, bis es Jahrzehnte später im Prager Nationalen Filmarchiv wieder entdeckt wurde.
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