101 Reykjavik - Arthaus Collection

Eine Filmkritik von Mike Swain

Werd endlich erwachsen!

Eiskalt, lang und dunkel sind die schier endlosen Winter in der isländischen Hauptstadt Reykjavik hoch oben im Norden Europas. Kein Wunder, dass zahlreiche der mehr oder minder kauzigen Einwohner sich mit den Attributen des sonnigen und vor allem warmen Südens umgeben, seien es Leguane oder auch mal Flamencotänzerinnen, wie die heißblütige Lola (Victoria Abril). Besagte Lola soll das Leben des phlegmatischen Hauptstadtbewohners Hlynur (Hilmir Snaer Gudnarson) ganz schön durcheinander wirbeln.
Hlynur, Anfang 30, ist ein veritabler Nesthocker, der sich von seiner Mama (Hanna Maria Karlsdottir), die ironischerweise auch noch beim Sozialamt arbeitet, umsorgen lässt. Hlynurs behütetes und geruhsames Leben zwischen Arbeitsamt, Cyberporn, wilden Feten und nächtlichen Besuchen in Bagger-Discos, könnte eigentlich ewig so weiter gehen, zumindest was ihn betrifft. Denn ein wirkliches Interesse an irgendetwas hat Hlynur nicht, Hauptsache er hat seine Ruhe. Doch mit der Besinnlichkeit soll es schon bald vorbei sein. Seine Mutter eröffnet ihm, dass eben jene Flamencotänzerin vorübergehend bei ihnen wohnen wird. Als Mama an Silvester auf Verwandtschaftsbesuch ist, kommen sich Hlynur und Lola sich näher, so nah sogar, dass Lola schwanger wird. Als seine Mutter Hlynur einige Tage später beichtet, dass sie und Lola sich lieben, bricht für Hlynur die Welt zusammen. Denn zum ersten Mal hat mit Lola ein Mensch den Panzer seiner Gleichgültigkeit durchbrechen können und nun durchkreuzt das lesbische Coming Out seiner Versorgerin alle grade gewonnenen Hoffnungen und Träume. Hinzu kommt der beißende Spott seiner Freunde und, um das Fass endgültig zum Überlaufen zu bringen, behauptet auch noch eine seiner gelegentlichen Bettgenossinnen von ihm schwanger zu sein. Hlynur muss wohl oder übel flügge werden.

Reykjavik scheint eine ideale Filmkulisse zu sein, denn die Stadt und ihre Umgebung liefern einen hervorragenden Backdrop zu den seltsamen Abenteuern Hlynurs. Angefangen bei dem seltsamen Häuschen, das er und seine Mutter bewohnen — Highlight eine Badewanne, die sich ruckzuck in ein Sofa verwandeln lässt – bis hin zu den schneebedeckten, majestätischen Gipfeln auf denen Hlynur nach Inuit-Art Selbstmord verüben will. Musikalisch untermalt wird der charmante Debütfilm von Baltasar Kormákur von einem brillianten Soundtrack von Blur-Sänger Damon Albarn, der natürlich auch ein Cover des berühmten Kinks-Songs Lola enthalten muss. Alles in allem liefert Kormákur mit 101 Reykjavik eine höchst amüsante und kurzweilige Coming-Of-Age Geschichte ab, die durch ihre pointierten Dialoge besticht und ein genaues, detailverliebtes Portrait einer ziel- und orientierungslosen Generation zeichnet.

101 Reykjavik - Arthaus Collection

Eiskalt, lang und dunkel sind die schier endlosen Winter in der isländischen Hauptstadt Reykjavik hoch oben im Norden Europas.
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