Gudrun

Eine Filmkritik von Marie Anderson

Von der Strapazierbarkeit des Gewissens

Es ist seine eigene fränkische Heimat, in welcher Regisseur Hans W. Geißendörfer die tragische Geschichte um die junge Gudrun ansiedelt, die er gemeinsam mit dem Nürnberger Autor Fitzgerald Kusz entwickelt hat. Jenseits der Anziehungskraft dieses tieftraurigen Dramas stellte die Inszenierung in Franken auf Fränkisch für den Regisseur Anfang der 1990er Jahre auch eine kleine Provokation dar, die seine Verweigerung dem allgemeinen Trend der Zeiten gegenüber zum Ausdruck bringen sollte, auch deutsche Filme mit der Hoffnung auf ein internationales Publikum möglichst auf Englisch zu drehen, wie Geißendörfer im Interview zum Film bekennt. Dieser Umstand hatte allerdings zur Folge, dass der Film, der mit etwas anfänglicher Anstrengung auch für Nicht-Franken recht gut verständlich ist, beinahe nur in Franken und näherer Umgebung in die Kinos kam, dort aber dafür mit beachtlichem Erfolg; die DVD ist mit deutschen Untertiteln versehen.
Gegen Ende des Zweiten Weltkriegs wird die 12jährige Gudrun (Kerstin Gmelch) von ihrer Mutter Lotte (Veronika Freimanová) zur Großmutter Sophie (Barbara Thummet) aufs Land gebracht, während ihr Vater Albert (Bernd Tauber) in Russland an der Front kämpfen muss. Lang bereits ist Albert fort, und Lotte hat sich mit einem SS-Schergen eingelassen, was sie vor ihrer sensiblen Tochter geheim halten will, die ihren Vater heftig vermisst. Bei der Großmutter, einer energischen Person, die eine Gastwirtschaft betreibt und keinesfalls mit den Nationalsozialisten symphatisiert, erhält die vereinsamte Gudrun viel Zuwendung und Wärme, und der etwa gleichaltrige Pfarrerssohn Fritz (Roman Mitterer) wird ihr zu einem ganz besonderen, verschwörerischen Freund, für den das junge Mädchen die schwärmerisch zarten Empfindungen einer ersten Verliebtheit entwickelt. Dieser jedoch, der wegen seines regimekritischen Vaters zum Außenseiter innerhalb der Nazi-Gesellschaft geworden ist, kennt nur das eine Ziel, wieder in die Hitler-Jugend aufgenommen zu werden. Auch wenn Fritz Gudrun zweifellos sehr gern hat und ihr unbedingt vertrauen kann, zögert er keine Sekunde, seine Freundin zu verraten und zu verkaufen, um sein Ziel zu erreichen, als sich ihm die Gelegenheit dazu bietet, mit katastrophalen Konsequenzen …

Gudrun ist eine sparsam, dezent und pointiert gestaltete Geschichte um Freundschaft und Verrat, Loyalität und Selbstsucht sowie Schuld und Naivität, und das auf mehreren Ebenen. Ganz besonders anrührend ist die unendliche Einsamkeit des Mädchens Gudrun, die nur temporär und illusorisch gemildert wird und als Sinnbild für die gewaltige Vereinsamung des Menschen und Menschlichen innerhalb eines totalitären Systems erscheint. Am Ende des Films tritt die vormals milde und sanfte Gudrun energisch und entschlossen auf, sie hat sich zu einer kühlen, harten Person entwickelt – manche würden schlicht sagen, sie sei erwachsen geworden.

Gudrun

Es ist seine eigene fränkische Heimat, in welcher Regisseur Hans W. Geißendörfer die tragische Geschichte um die junge Gudrun ansiedelt, die er gemeinsam mit dem Nürnberger Autor Fitzgerald Kusz entwickelt hat.
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