Feltrinelli

Eine Filmkritik von Marie Anderson

Porträt eines revolutionären Verlegers

Die Millionäre unter den Kommunisten sind ebenso selten wie die Kommunisten unter den Millionären, so dass die Person des legendären Verlegers Giangiacomo Feltrinelli schon oberflächlich betrachtet ein Kuriosum darstellt. Blickt man dann genauer auf das Leben, Wirken und Werk des politisch und kulturell innovativen Italieners, der ein erfolgreiches Verlags- und Buchhandelimperium errichtete und gleichzeitig ein überzeugter und engagierter Revolutionär war, offenbart sich der extreme, vielschichtige Charakter eines Mannes, der an die Macht von Büchern für gesellschaftliche Veränderungen glaubte und in seinem Metier ein einzigartiger und mutiger Avantgardist war. Der Dokumentarfilm Feltrinelli von Alessandro Rossetto entwirft einerseits aus Archivmaterial und Äußerungen von Weggefährten ein collagenhaftes Porträt des berühmten Verlegers und gewährt dem Zuschauer auf der anderen Seite einen unkonventionellen Blick hinter die Kulissen des Literaturbetriebs, indem er Abläufe und Umtriebe des heutigen Unternehmens zeigt, das nach dem Tode Giangiacomos von seiner Frau Inge und später von seinem Sohn Carlo fortgeführt wurde.
1926 als einziger Sohn einer der wohl reichsten Familien Europas geboren gründete der junge Giangiacomo Feltrinelli, der früh seinen Vater verlor und deren Kindheit als einsam und zurückgezogen beschrieben wird, im Jahre 1955 den politisch links orientierten Verlag „Feltrinelli Editore“, der sich auf undogmatische Weise zu einem der wichtigsten kulturellen Unternehmen Italiens entwickelte. Zwei Jahre darauf eröffnete er die erste Buchhandlung in Pisa, der rasch weitere im ganzen Lande auch als Orte für literarischen und politischen Austausch mit Lesungen, Diskussionen und anderen Events folgten, und heute sind es beinahe hundert Geschäfte. Einen Grundstein für den sensationellen Erfolg des Verlags stellte 1957 die Veröffentlichung des Romans Doktor Schiwago von Boris Pasternak dar, der in der Sowjetunion nicht erscheinen durfte und dessen Autor durch das Engagement des Verlegers 1958 mit dem Nobelpreis für Literatur ausgezeichnet wurde. Als Mitglied der Kommunistischen Partei hatte Feltrinelli bereits in den 1940er Jahren eine Bibliothek und Forschungsstätte über die Geschichte der Arbeiterbewegung gestiftet, die zu einem einflussreichen Zentrum für soziale Studien avancierte. Er pflegte Kontakte zu Fidel Castro und unterstützte international revolutionäre Bestrebungen, und es war Feltrinelli, der jenes populäre Bild des kubanischen Photographen Alberto Korda von Ernesto Che Guevara nach dessen Tod veröffentlichte, das im Laufe der Zeit auf Postern und T-Shirts zu Weltruhm gelangte. Als Feltrinelli im März 1972 in der Nähe von Mailand tot aufgefunden wurde, lautete die offizielle Version, dass er bei dem Versuch, einen Hochspannungsmast zu sprengen, verunglückt sei, doch weder dies noch die Vermutung, dass er von Faschisten ermordet worden sei, konnte bisher endgültig verworfen oder bestätigt werden.

Erscheinen auch punktuelle Sequenzen von Feltrinelli als spannende Details zu seiner Biographie und werden brisante Themen wie seine terroristischen Tendenzen und seine politische Weltanschauung angerissen, entsteht dennoch nur ein vages und stellenweise unbefriedigendes Bild des Verlegers, wobei eine potentielle Intensität einer sehr breit angelegten Vielfältigkeit geopfert wird. Bei den Ausschnitten zum aktuellen Verlagsgeschehen, in denen die mittlerweile recht betagten Literaten Doris Lessing und Amos Oz auftreten, gibt es ebenfalls interessante Ansätze, zu denen vor allem der konkrete Arbeitsprozess mit verschiedenen Autoren gehört, doch insgesamt verharrt auch dieser Strang in Andeutungen und wird von allzu banalen Szenen flankiert, wie beispielsweise von der Besichtigung einer Feltrinelli-Filiale durch eine Schulklasse. Teilweise unpassend erscheint auch die musikalische Untermalung, die eine kaum vorhandene Dynamik suggeriert, so dass die Dokumentation zwar einen knappen ersten Einblick in die Geschichte des Verlegers und seines Unternehmens liefert, aber doch recht zusammenhangslos im Stile einer oberflächlichen Plauderei verbleibt und es nur selten vermag, den Zuschauer zu berühren, geschweige denn zu fesseln.

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Die Millionäre unter den Kommunisten sind ebenso selten wie die Kommunisten unter den Millionären, so dass die Person des legendären Verlegers Giangiacomo Feltrinelli schon oberflächlich betrachtet ein Kuriosum darstellt.
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