Schrei der Ameisen

Eine Filmkritik von Mike Swain

Ein Roadmovie der anderen Art

Moshen Makmalbafs Schrei der Ameisen entzieht sich der einfachen Kategorisierung – mal essayistisch, mal fiktional und dann wieder dokumentarisch, unternimmt der iranische Filmemacher den Versuch das Glaubensuniversum Indiens zu erkunden. So reiht sich dann eine Tableau artige, teils düstere, teils skurrile Sequenz an die andere, immer betörend fotografiert und akribisch arrangiert und es entsteht etwas, das man wohl am besten als ein spirituelles Roadmovie bezeichnen könnte.
Der Film beginnt an einer Bahnstrecke irgendwo in Indien. In der gleißenden Sonne wartet ein Ehepaar auf einen Zug. Es ist auf der Reise zum „Perfect Man“, dem vollkommenen Menschen. Bereits kurz nach der Abfahrt werden sie mit ihrem ersten indischen „Wunder“ konfrontiert. Angeblich kann der Bettler Bubba Züge mit der Kraft seiner Augen zum Stehen bringen. Doch wie es sich herausstellt, wird der arme Alte von den anderen Bettlern, die an seine Wunderkräfte glauben, dazu gezwungen auf den Gleisen zu sitzen. Die Züge halten schlicht und einfach, um ihn nicht zu überfahren. Eine erste kleine Enttäuschung, auf die noch weitere folgen werden, auf einem Weg, den die gottgläubige Frau als Reise zur Erleuchtung versteht, während ihr atheistischer Mann jeglichen Glauben in Frage stellt. Diese unterschiedlichen Auffassungen und Ziele führen auch dazu, dazu sich die zwei andauernd in den Haaren liegen. Doch alle ehelichen Zwistigkeiten können nicht verhindern, das sie schließlich, nach etlichen kleinen Abenteuern, den „Perfect Man“ finden. Zuvor gilt es jedoch noch etliche teils humorvolle, teils seltsame Abenteuer zu überstehen. So die Eskapade mit dem Taxifahrer, dem es wichtiger ist, eine Fliege wohlbehalten an den Ausgangspunkt der Fahrt zu befördern, als seine Fahrgäste an ihr Ziel zu bringen. Doch letztlich finden die zwei den „Perfect Man“, der ihnen eine mit unsichtbarer Tinte verfasste Nachricht mitgibt, die sie erst am Ufer des heiligen Flusses Ganges lesen sollen.

Makmalbafs spiritueller und philosophischer Rundumschlag besticht durch die Einzigartigkeit seiner Bilder und scheitert an dem Versuch, ein Abbild der enormen Bandbreite spiritueller und religiöser Welten auf dem indischen Subkontinent zu übermitteln. Allzu häufig geraten die monologartigen Vorträge seiner Protagonisten auf die Ebene der Küchentischphilosophie oder sind schlechtweg misslungen. Als besonderes Beispiel mag hier die langatmig erklärte „Theologie der Scheiße“ dienen, die dem Ehegatten in epischer Breite dargelegt wird, die in ihrer Banalität nur noch durch das Ende des Films übertroffen wird. Zudem hätte man Makmalbaf ein glaubhafteres und überzeugenderes Ensemble gewünscht, dass weniger statuenhaft und distanziert agiert und eine ähnliche Qualität wie die Bildgestaltung des Regisseurs erreicht.

Schrei der Ameisen

Moshen Makmalbafs Schrei der Ameisen entzieht sich der einfachen Kategorisierung – mal essayistisch, mal fiktional und dann wieder dokumentarisch, unternimmt der Filmemacher den Versuch das Glaubensuniversum Indiens zu erkunden.
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