Gisela

Eine Filmkritik von Jean Lüdeke

Gelungene Milieustudie

„Für mich ist Gisela ein Film über Freiheit. Der Anarchismus des Romans verlangt nach einem Film, der keine Milieustudie sein darf. Und so habe ich das Dekor abstrakt gehalten, um die Konzentration auf die Charaktere zu lenken“, charakterisiert Regisseurin Isabelle Stever ihr melancholisches Meisterstückchen.
Keinen Zweifel, die 44jährige Münchnerin, Regieassistentin, Drehbuch-Redakteurin und Casterin in Personalunion hat mit Gisela gleichsam eine Art Jules und Jim der Plattenbauten erschaffen, eine geheimnisvolle Dreiecksbeziehung voller Suff, Sex und unerwarteter Poesie“, lobte die Süddeutsche Zeitung zu Recht die analytische Milieustudie.

Paul (Carlo Ljubek) ist Anfang zwanzig, hat Abitur, aber keine Arbeit. Er trifft sich mit Georg (Stefan Rudolf) und dessen Clique, die in erster Linie rumhängen, saufen und mit erfundenen Weibergeschichten prahlen. Dabei ist Paul eher schüchtern, paßt sich aber gut an. Paul ist ein „Normalvögler“, Georg favorisiert oralvergnügliches. Diese und weitere pikante Details aus dem Liebesleben der beiden joblosen Freunde gehören zum Dauerthema „Frauen“. Und weil Paul schon lange keine mehr abbekommen hat, stellt Georg ihm Gisela (Anne Weinknecht) vor. Die junge Mutter malocht als Kassiererin im lokalen Supermarkt. Die Ehe scheint langweilig — Gisela jedenfalls nimmt Georgs Partyeinladung wortlos an. „Die ist nur für ihren Alten“, behauptet Georg, weil er sie selbst nicht rumgekriegt hat. Doch Paul kriegt sie rum. Doch neben Sex haben sie noch etwas, nur kann Paul nicht genau sagen was es ist, aber da ist etwas…

„Die Geschichte ist eine Art umgekehrter Liebesgeschichte, die Sex im Lebensgefühl junger Erwachsener direkt, spontan und grenzüberschreitend thematisiert: „Wohin mit der Sehnsucht, die mich aus dem Nichts überfällt? Georg, Paul und Gisela messen ihr Handeln nicht an Moral im konventionellen Sinne, deswegen fand ich es aufregend, sie für modern zu halten. Also wollte ich ihre Charaktere nicht suggestiv bewerten, sondern wollte ihnen eine Authentizität geben“, bekräftigt Stever nachdrücklich.

In lakonischen, wortkargen Dialogen wird ein spannendes Verhältnis in dieser Ménage-à-trois aufgebaut. Während Gisela wenig sagt, erzählen ihre Blicke alles.

Gisela

Für mich ist Gisela ein Film über Freiheit. Der Anarchismus des Romans verlangt nach einem Film, der keine Milieustudie sein darf.
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