Strange Circus

Eine Filmkritik von Jean Lüdeke

Verstörende Welten

In packenden und unter die Haut gehenden Bildern nimmt sich der ehemalige Experimentalfilmer Sion Sono, der zuletzt international mit dem Horrorstreifen Suicide Circle aufgefallen war, einem heiklen Thema an: Kindesmissbrauch und den familiären Katastrophen, die daraus resultieren. Das Thema allein ist sicher schon schrecklich genug, doch der Ausnahmeregisseur kleidet diesen Plot in eine Mischwelt aus immer mehr ins Fantastische abgleitender Realität, verschiedenen Deutungsmöglichkeiten und der kindlichen Verarbeitungsebene.
Sonos Fausthieb in die Magengrube erzählt in kunstvoll arrangierten Bildern von einem kleinen Mädchen, das von seinem sexbesessenen Vater Gozo (Hiroshi Ohguchi),und seiner eifersüchtigen Mutter Sayuri (Masumi Miyazaki) gefoltert wird. Eingesperrt in einen Cellokasten muss Mitsuko (Rie Kuwana) ihre Eltern beim täglichen Akt beobachten. Bald werden die Rollen getauscht: Nun steckt die Mutter im Kasten und ihre Tochter im Bett des Schänders. Auch die zweite Erzählebene des Films bereitet Schmerzen: Die im Rollstuhl sitzende Bestsellerautorin Taeko (Masumi Miyazi) schreibt über eine von Missbrauch zerstörte Familie. Wer ist diese vom Erfolg zerfressene, junge Frau, hinter deren vielfach verriegelter Schlafzimmertür sich ein widerwärtiges Geheimnis verbirgt? Ist Taeko die als Kind missbrauchte Mitsuko – oder Mitsuko nur fiktive Figur ihres neuen Romans? – Dem Filmemacher geht es hier nicht um klare Antworten…

Der japanische Filmemacher Sion Sono hat ein bizarres Faible für das Abseitige, fokussiert Abgründe, die jedem innewohnen. Das Gute und Schöne erfahren in seinem Universum eine radikale Umdeutung. Wie schon in seinem auch Vorgänger Suicide Circle hangelt sich auch Strange Circus an den Abgründen der menschlichen Seele entlang. Im direkten Vergleich fällt jedoch bei seinem neuesten Werk die überstilisierte Ästhetik auf, die den Film in eine Twilight Zone zwischen Traum und Traumata eintauchen lässt.

Strange Circus zeigt in surrealen und verstörenden Bildern die inzestuöse Beziehung eines Vaters zu seiner Tochter. Sion schafft es, dieses Verbrechen filmisch so zu entwickeln, dass der Zuschauer immer wieder vor neuen Rätseln steht, die aufzulösen aber keine Erlösung bringen.

„Schauspieler und die Kameraführung sind von einzigartiger, künstlerischer Intensität. Farbenspiel und Ausstattung des Films sind von ungeheurer Kraft, so dass der Film nachhaltig im Gedächtnis bleibt“, beschrieb die Berliner Zeitung treffend diese verstörende Psychoballade.

Strange Circus

In packenden und unter die Haut gehenden Bildern nimmt sich der ehemalige Experimentalfilmer Sion Sono, der zuletzt international mit dem Horrorstreifen Suicide Circle aufgefallen war, einem heiklen Thema an.
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