Bukowski - Ganz normal verrückt

Eine Filmkritik von Mike Swain

Der Drang zur Selbstzerfleischung

Gleich zu Beginn von Bukowski – Ganz normal verrückt erfährt der geneigte Zuschauer manch Wissenswertes aus dem Mund des Poeten Charles Serking (Ben Gazzara): „Nur wenige Hunde haben Stil, Katzen haben Stil im Überfluss“. Serking selber hat auch einen eigenen Stil — auch wenn dieser etwas von der gesellschaftlich akzeptierten Norm abweicht. Die bevorzugten Aufenthaltsorte des mäßig erfolgreichen Dichters sind die billigsten Apartmenthäuser, Kneipen, Bars, Absteigen und gelegentlich auch Obdachlosenheime seiner Heimatstadt Los Angeles. Hier frönt Serking seinen zwei großen Leidenschaften: Saufen und Vögeln. Seine Gier nach Alkohol wird nur noch von seiner Lust nach weiblichen Gespielinnen aller Art übertroffen. Doch eigentlich will Serking nur eines: Vergessen – alles vergessen.
An Serkings Lieblingstresen kommt es schließlich zu einer Begegnung, die wohl als schicksalhaft bezeichnet werden kann. Er lernt die Nutte Cass (Ornella Muti) kennen. Wie der Dichter auch, leidet die schöne Prostituierte unter dem Zwang der Selbstzerstörung, den sie mit Sicherheitsnadeln und zerbrochenen Flaschen an sich selber auslebt. In einem Leben ohne Hoffnungsschimmer am Horizont entwickelt sich Cass zu Serkings Muse – unter ihrem Einfluss beginnt er wieder zu schreiben, es winkt sogar ein Vertrag mit einem New Yorker Verlag.

Klar wer die Vorlage zu diesem Film, der Titel sagt es bereits, lieferte: Niemand anderes als das Enfant terrible der Lyrikerszene, der geliebte oder gehasste, je nach persönlichem Geschmack, Charles Bukowski mit seinem Buch Tales of Ordinary Madness. In Szene gesetzt wurde Bukowski — Ganz normal verrückt 1981 von Marco Ferreri. Dem 1997 verstorbenen Ferreri wird auch heute noch gerne das Etikett „Skandalregisseur“ verpasst und tatsächlich sorgten einige seiner Filme wie Das große Fressen oder Affentraum für Schlagzeilen. In diesem Fall jedoch schlägt er eher leisere Töne an, auch wenn Andeutungen von Pädophilie, eindeutige Blasphemie und die sehr fleischliche Darstellung von Sexualität dafür sorgten, dass auch dieses Werk in den meisten Ländern erst für Zuschauer ab 18 Jahren zugänglich war.

Bukowski-Pics sind schon beinahe ein eigenes kleines Subgenre des großen Filmkanons und so bietet sich fast zwangsläufig der Vergleich mit Filmen wie Bent Hamers Factotum oder Barbet Schroeders Barfly an. Im Gegensatz zu diesen Streifen versucht Ferreri die Ästhetisierung der dominanten Themen Sex und Alkohol konsequent zu vermeiden. So wirkt Bukowsi – Ganz normal verrückt auch schmutziger und dreckiger, einfach schonungsloser, was Charles Bukowski selbst sicher gefallen hätte. Getragen wird der Film von seinen Hauptdarstellern: Ben Gazzara, der den versoffenen Poeten lebendig werden lässt und die kraftvolle Ornella Muti, die als Reinkarnation der Venus, die verletzliche und schmerzsuchende Cass eindrucksvoll darstellt.

Bukowski - Ganz normal verrückt

Gleich zu Beginn von Bukowski – Ganz normal verrückt erfährt der geneigte Zuschauer manch Wissenswertes aus dem Mund des Poeten Charles Serking.
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