Die Schachnovelle

Eine Filmkritik von Joachim Kurz

Ein literarischer Klassiker im filmischen Gewand

Wir schreiben das Jahr 1938: Soeben haben die Nationalsozialisten Österreich besetzt und feiern den Anschluss der Ostmark an das Großdeutsche Reich. Kaum ist der Anschluss vollzoegen, greifen die neuen Machthaber hart durch und internieren jeden, der nicht in das Weltbild der Machthaber passt Zu den Inhaftierten gehört auch Dr. von Basil (Curd Jürgens), der versucht hat, die Vermögenswerte der katholischen Kirche dem Zugriff der Nazis zu entziehen. In der Haft wird von Basil vollständig isoliert, um den Widerstand des Mannes zu brechen und ihn zum reden zu bringen. Erst als von Basil per Zufall ein kleines Büchlein mit Schachpartien entwenden kann, scheint es so, als könne er dem beginnenden Wahnsinn standhalten. Doch als der Vermögensverwalter später auf freien Fuß gesetzt wird, zeigt sich auf einer schicksalhaften Überfahrt, dass er die psychische Folter weniger gut überstanden hat, als dies zunächst den Anschein hatte. Bei einer Partie gegen den arroganten Großmeister Mirko Centowic (Mario Adorf) kommt von Basils gesamte Genialität, aber auch seine Gebrochenheit zum Vorschein.
Stefan Zweigs wundervolle Schachnovelle ist ein zwar vom Umfang her kleines Werk, doch es zählt mit Recht zu den großen Erzählungen der Literatur des 20. Jahrhunderts. Es sind vor allem die Verknappung der Sprache, die psychologisch ausgefeilte Dramaturgie und Feinfühligkeit sowie ein nahezu heroischer Schaukampf zweier vollkommen unterschiedlicher Charaktere vor dem Hintergrund des Nazi-Terrors, die zu den großen Qualitäten von Zweigs Novelle gehören. Doch wer das Buch kennt weiß, dass eine Verfilmung etlichen Schwierigkeiten und Fallstricken unterworfen ist, denn der hohe Abstraktionsgrad eines Schachspiels, der häufige Wechsel der Zeitebenen sowie die fein gezeichnete Psyche der beiden Hauptcharaktere sind nur einige jener spezifischen Qualitäten der Schachnovelle, die sich nur schwer in adäquate Bilder fassen lassen.

Der Regisseur Gerd Oswald, der sich 1960 an eine Verfilmung des Stoffes wagte, und sein Drehbuchautor Herbert Reinecker sind sich dieser Punkte durchaus bewusst. Und so ist es kein Wunder, dass gegenüber der literarischen Vorlage einige wesentliche Änderungen zu bemerken sind, die dem Film einen anderen Charakter geben. Dies betrifft vor allem den Gestapo-Mann Hans Berger (Jürgen Felmy), der mit Werner von Basil um die gleiche Frau konkurriert, wodurch der Zweikampf in der Verhörzelle noch ein wesentlich emotionaleres Moment bekommt.

Schauspielerisch überzeugt vor allem der „normannische Kleiderschrank“ Curd Jürgens, der hier eine ebenso kraftvolle wie gebrochene Interpretation eines unbeugsamen, aber gebrochenen Charakters gibt. Mario Adorf als Kontrahent am Schachbrett hingegen neigt zur starken Vereinfachung und zum Overacting, so dass es seiner Darstellung des arroganten und im Grunde seines Herzens zutiefst dummen Schachmeisters an psychologischer Tiefe fehlt. Trotzdem ist Die Schachnovelle eine gelungene Literaturverfilmung, die allerdings nicht davon abhalten sollte, Stefan Zweigs großes kleines Buch zu lesen – es lohnt sich wirklich.

Die Schachnovelle

Wir schreiben das Jahr 1938: Soeben haben die Nationalsozialisten Österreich besetzt und feiern den Anschluss der Ostmark an das Großdeutsche Reich.
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