Permanent Vacation (Rolling Stone Videothek)

Eine Filmkritik von Ingo Post / Joachim Kurz

Ferien vom Ich

Im Mittelpunkt des ersten Films des späteren Kultregisseurs Jim Jarmusch steht der rastlose sechzehnjährige Herumtreiber Allie (Chris Parker), der auf seinen Streifzügen durch die menschenleere Lower East Side New Yorks allerlei seltsame Begegnungen erlebt. Von Allies persönlichen Hintergründen erfährt der Zuschauer kaum etwas, lediglich die in einer Irrenanstalt lebende Mutter und sein Aufwachsen in diversen Jugendheimen werden erwähnt, und so ist sein Leben entsprechend, zerrissen, improvisiert und in ständiger Bewegung; er läuft und läuft, um davonzulaufen, um in Bewegung zu sein, er ist unterwegs auf einer endlosen Reise, einer „Permanent Vacation“ eben …
Die heruntergekommene Wohnung, die er bewohnt, teilt er sich mit Leila (Leila Gastil), doch es findet sich kaum ein Anzeichen dafür, dass die beiden emotional miteinander verbunden sind. Wenn sie miteinander sprechen, verstehen sie sich ständig falsch, so dass ihre Kommunikation kaum einen Sinn ergibt. Auch Leila ist – wir ahnen es – lediglich eine Durchgangsstation auf dem Weg ins Irgendwo. Nacheinander begegnet er einem Kriegsveteranen, der meint, dass er sich immer noch im Krieg befindet, eine befremdliche Szene, die durch unterlegte Kriegsgeräusche plötzlich beinahe realistisch wird. Und leitmotivisch stößt er immer wieder auf Saxophonmusik, einen Saxophonspieler (John Lurie) oder andere assoziative Elemente, die an das Instrument gemahnen, bisweilen scheint es fast so, als sei das Saxophon Teil jener inneren Stimme, die ihn antreibt, die seine Schritte lenkt und sein Handeln bestimmt. Am Ende wird Allie einen – reichlich grotesk inszenierten – Autodiebstahl begehen und mit Hilfe des daraus erzielten Geldes New York verlassen, doch auch die nächste Station Paris wird ihm nur vorübergehend eine Heimat sein – wenn überhaupt …

So befremdlich sich Jim Jarmuschs Debütfilm aus heutiger Sicht auch ausnimmt, er deutet bereits vieles an, was später stilbildend für die Ausnahmeerscheinung unter Amerikas Independent-Regisseuren werden wird – absurder Witz, eine nüchterne, aufs Notwendigste beschränkte Erzählweise, John Luries raunzendes Saxophon und ein Faible für Surreales sowie das Motiv der Reise als Bewegung zum Ich oder als Flucht vor selbigem.

Die DVD bietet eine sehenswerte Dokumentation über Jarmusch, die dazu angetan ist, Lust auf mehr Filme des ewigen Talents und des großen Träumers des amerikanischen Independent-Regisseurs zu machen, der – wie könnte es anders sein – sich ebenfalls mit seinen Filmen auf einer permanenten Reise befindet. Hoffen wir, dass er bald einmal wieder in unserer Nähe einen Zwischenstopp einlegen wird.

Übrigens: Wer sich auf seiner persönlichen Reise durch die Welt mit Lektüre für die Augen eindecken will, der sei in diesem Zusammenhang auf die bei Arthaus erschienene Jim Jarmusch – The Complete Collection hingewiesen, die selbstverständlich auch Permanent Vacation enthält, der Titel ist aber ebenso auch als Einzelstück erhältlich – ein treuer Gefährte auf den Um- und Holzwegen des Lebens …

Permanent Vacation (Rolling Stone Videothek)

Im Mittelpunkt des ersten Films des späteren Kultregisseurs Jim Jarmusch steht der rastlose sechzehnjährige Herumtreiber Allie (Chris Parker), der auf seinen Streifzügen durch die menschenleere Lower East Side New Yorks allerlei seltsame Begegnungen erlebt.
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