Risk

Eine Filmkritik von Maria Wiesner

Die Causa Assange

Hat man zu Julian Assange nicht schon alles gesehen? Man kennt sein Gesicht, seine Geschichte, selbst die Enthüllungen von Wikileaks sind schon endlos oft erzählt worden, es gab all die Zeitungsberichte, die Dokumentarfilme und sogar den Spielfilm Inside Wikileaks. Immer wieder der Versuch, Julian Assange nahe zu kommen, seine Person zu erklären, zu ergründen, warum er das größte Datenleak der Geschichte veröffentlichte. Bei all diesen Versuchen hatte jedoch niemand bisher so guten Zugang zum Wikileaks-Team wie die Journalistin und Dokumentarfilmerin Laura Poitras. Auch sie hat schon mehrere Filme zu der Thematik gedreht, zuletzt Citizenfour über die Enthüllungen Edward Snowdens, der 2015 mit einem Oscar als bester Dokumentarfilm ausgezeichnet wurde. Nun also der Blick zurück auf den Mann, mit dem für Poitras alles begann: Wikileaks-Gründer Julian Assange.
Ähnlich wie in Citizenfour rollt Poitras in Risk die Geschichte von Anfang an auf. Sie beginnt in einem Haus in Norfolk, in dem Assange und seine Unterstützerin Sarah Harrison versuchen, die damalige amerikanische Außenministerin Hillary Clinton ans Telefon zu bekommen. Man wolle sie bezüglich einer großen Veröffentlichung geheimer Dokumente vorwarnen, erklärt Harrison einem Angestellten des amerikanischen Außenministeriums. Dann schnappt sich Assange das Telefon: „Ich möchte mit dem höchsten Angestellten sprechen, den sie gerade greifbar haben. Diese Dokumente werden veröffentlicht. Nicht ich habe hier das Problem, sondern Sie.“ Genau so hat man ihn sich immer vorgestellt, mit einer Selbstsicherheit über sein Tun, die schon an leichte Überheblichkeit grenzt.

In Kapiteln entblättert Poitras, was danach geschieht. Man kennt die Geschichte, interessant wird sie durch Poitras Blickwinkel. Ihre Kamera ist immer ganz nah an den Menschen, sie ist kein bisschen objektiv. Am Ende schafft sie es sogar dabei zu sein, wenn Assange ein letztes Mal seine Mutter sieht und sich in ihrem Hotelzimmer für die Flucht in die ecuadorianische Botschaft in London verkleidet – das ist embedded journalism par excellence.

Nach der Premiere ihres Films in Cannes verteidigte die Amerikanerin Poitras, dass sie sich über die gleichen Themen wie auch Assange und die anderen Aktivisten bei Wikileaks sorgt und dass sie deshalb die Sache dieser Hacker und Whistleblower unterstützt. Poitras selbst ist seit My Country, My Country, ihrem ersten Dokumentarfilm über den Irakkrieg, auf der amerikanischen Watchlist. Überwachung und Überwachtwerden, mit diesen Themen beschäftigt sie sich seit Jahren. Wenn Assange in den ersten Kapiteln von Risk noch frei unterwegs ist und auf Veranstaltungen redet, schneidet Poitras immer wieder Aufnahmen der Überwachungskameras vor Ort dazwischen. Die Botschaft ist klar: Überwachung findet immer und überall statt. Eine Vorstellung, die auch Computerspezialist und Wikileaks-Aktivist Jacob Appelbaum teilt. Wenn er sich auf einer Konferenz in Kairo über das staatliche Blocken von Twitter während des arabischen Frühlings aufregt, sieht man ihm den Aktivisten an, der aus tiefster Überzeugung seine Arbeit tut. Wenn er anhand von Werbevideos einiger Softwarefirmen detailliert aufzeigt, wie Spionagesoftware über iTunes- und Skype-Updates funktionieren könnte, bekommt man ein schlechtes Gewissen, den Haken bei Updates auf den eigenen Geräten immer viel zu schnell zu setzen. Natürlich hat man nichts zu verbergen, aber wie viel präventives Datensammeln ist in Zeiten erhöhter Terrormaßnahmen denn wirklich notwendig? Und wie privat sind die privaten Daten, die man mit Freunden und Familie in Chats und sozialen Netzwerken teilt? Allein, dass sich beim Schauen des Films diese Gedanken aufdrängen, zeigt, wie wichtig Poitras‘ Dokumentarfilm gerade jetzt ist.

Einmal kommt Poitras Assange sehr nah: Nachts in Norfolk, lange vor seinem Botschaftsexil, erzählte er ihr, dass man jeden Tag nutzen müsse, um etwas zu bewegen, sonst sei er eine Verschwendung. „So viele Tage haben wir nicht, wenn man sie verschwendet, ist man ein Verlierer.“ Da scheint es am Ende nur konsequent, dass ausgerechnet Assange, der die staatliche Überwachung anprangert, im Exil der ecuadorianischen Botschaft das Spiel umdreht, sich in die Überwachungskameras hackt und die britischen Polizisten und Geheimdienstleute, die ihn überwachen sollen, seinerseits beobachtet. Assange hat die Botschaft in London seit vier Jahren nicht verlassen. Den Kampf für seine Überzeugung hat er jedoch noch lange nicht aufgegeben – das zeigt Poitras‘ Film sehr deutlich.

Risk

Hat man zu Julian Assange nicht schon alles gesehen? Man kennt sein Gesicht, seine Geschichte, selbst die Enthüllungen von Wikileaks sind schon endlos oft erzählt worden, es gab all die Zeitungsberichte, die Dokumentarfilme und sogar den Spielfilm „Inside Wikileaks“. Immer wieder der Versuch, Julian Assange nahe zu kommen, seine Person zu erklären, zu ergründen, warum er das größte Datenleak der Geschichte veröffentlichte. Bei all diesen Versuchen hatte jedoch niemand bisher so guten Zugang zum Wikileaks-Team wie die Journalistin und Dokumentarfilmerin Laura Poitras.
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