Ararat (2002)

Ein poetischer Film über die Türkei und Armenien

Selten waren sich bereits im Vorfeld die Kritiker so einig über einen Film wie über das neuste Werk des Regisseurs Atom Egoyan: eine „herrliche und wichtige Erfahrung“ nannte die Los Angeles Daily News den Film, Screen International bezeichnete Ararat – so der Titel des Films – als „ein Glück für Cineasten“. Nach langer Wartezeit läuft Ararat – mit Sicherheit der persönlichste Film des kanadischen Meisterregisseurs – nun endlich in Deutschland an.

An der kanadischen Grenze wird der junge Raffi (David Alpay) von dem Zollbeamten David (Christopher Plummer) mit Filmbüchsen aus der Türkei aufgehalten. Hat er wirklich Aufnahmen für einen Film mitgebracht, der gerade in Toronto gedreht wird? Oder hat er nicht vielmehr seine Finger im Drogengeschäft? Neugierig geworden, will der alte Mann am Vorabend der Pensionierung unbedingt in Erfahrung bringen, was Raffi zu verbergen hat…

Das anschließende Verhör schließlich enthüllt Raffis Geschichte, ein Kaleidoskop von Liebe und Hass, Vorwürfen und Lebenslügen vor dem Hintergrund des Genozids der Türken an den Armeniern währen des Ersten Weltkrieges. Ohne erkennbare Übergänge und federleicht miteinander verwoben schildert jeder der Erzählstränge den Versuch, das Unfassbare auf andere Art und Weise zu verarbeiten und fassbar zu machen. Da ist zum einen der (tatsächlich existierende) Malers Arshile Gorky, der in einem Bild die Erinnerungen an seine während des Genozids ermorderte Mutter verarbeitet. Zum anderen dreht der ebenfalls aus Armenien stammende (erfundene) Regisseur Edward Saroyan (dargestellt von dem ebenfalls aus Armenien stammenden franzöischen Chansonier Charles Aznavour) einen Film, mit dem er den lange verleugneten Völkermord an seinem Volk der Welt vor Augen führen will – bizarrerweise ist das Werk ein Epos im Stile Hollywoods. Die Kunsthistorikerin Ani (Arsinée Khanjian) wiederum ist eine Expertin für Gorkys Werk und berät in dieser Funktion den Regisseur Saroyan. Und auch ihr Sohn Raffi ist in das Geschehen verstrickt, als Mitarbeiter bei den Dreharbeiten versucht er mit seiner Videokamera seine eigene Version des Völkermords an den Armeniern festzuhalten.

Trotz der scheinbaren Komplexität und Schwere des Plots ist Ararat ein wundervoll poetischer, kluger und sinnlicher Film über die Schwierigkeiten der Aufarbeitung eines kollektiven Traumas, das für jeden einzelnen der Beteiligten zum Schicksal wird. Dabei vermeidet Egoyan jede Bewertung, sondern macht die Motive jeder Partei (selbst die der Verantwortlichen für den Genozid) ebenso sichtbar wie die verschiedenen Wahrheiten, Widersprüche und Fehlinterpretationen. Kino für den Kopf und die Sinne und mit Sicherheit einer der bemerkenswertesten Filme des noch jungen Kinojahres.

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