Im toten Winkel - Hitlers Sekretärin (2002)

Vom schwierigen Umgang mit der Schuld

Traudl Junge war eine der Privatsekretärinnen von Adolf Hitler. Sie arbeitete für ihn im Führerhauptquartier in der Wolfsschanze, im Berghof am Obersalzberg, im Sonderzug und in Berlin. 1944 wurde sie Zeugin des missglückten Stauffenberg-Attentats, die letzten Kriegstage und den Selbstmord Hitlers erlebte sie im Führerbunker der eingekesselten Hauptstadt. Traudl Junge war es auch, der Hitler sein „Testament“ diktierte.

In Im toten Winkel äußert sich Traudl Junge erstmals öffentlich über ihr Leben, ihre Erinnerungen, Verstörungen und Selbstreflexionen. Sie spricht über ihre Kindheit in München, die Zufälle und Lebensumstände, die sie zunächst in die Berliner „Kanzlei des Führers“, später als Privatsekretärin in die Wolfsschanze führten, der täglichen Routine im inneren Kreis von Hitlers Umgebung, von Tagesabläufen, deren freundliche Banalität in absurdem Widerspruch zur Vernichtungspolitik des NS-Regimes stand. Wenn Traudl Junge von den letzten Tage vor Hitlers Selbstmord im Führerbunker erzählt – ein 25minütiger Monolog ohne jeden Filmschnitt – entsteht das in seiner Eindrücklichkeit und Präsenz fast beängstigende Bild der Leere im Zentrum einer menschenverachtenden Macht, die angesichts ihrer Niederlage in sich zusammenfällt.

Im toten Winkel verzichtet auf jedes Beiwerk und konzentriert sich ganz auf die Erzählerin: die intensive, äußerste Verdichtung jahrzehntelangen, vorbehaltlosen Nachdenkens über Geschichte, Verdrängung, eigene Verantwortung und Schuld. Der Film verweigert sich jedem spekulativen Interesse an Geschichten über die Person Hitlers. Aber er enttäuscht die Sensationslust nicht: er widerlegt sie. Nach dem Krieg zur wütenden Gegnerin des Nationalsozialismus geworden, konnte sich Traudl Junge ihre damalige Naivität und Ignoranz, ihr Versagen nicht verzeihen. Die Frage nach der eigenen Verantwortung bleibt nicht akademisch, sondern wird in der schonungslosen, ernsten Erzählung, in der Mimik und Gestik der Protagonistin, in den Nebensächlichkeiten, in denen sich unvermittelt die Hauptsache zeigt, erlebbar und lebendig.

Die Gespräche zwischen André Heller und Traudl Junge kamen im Jahr 2001 durch Vermittlung der Autorin Melissa Müller zustande, die zu dieser Zeit an der Herausgabe und Einleitung der von Traudl Junge bereits 1947 niedergeschriebenen Erinnerungen arbeitete. Othmar Schmiderer, der die Gespräche mit der Kamera aufzeichnete, wählte eine filmische Herangehensweise, die von wenigen Kameraeinstellungen und dem Verzicht auf zusätzliches Kunstlicht ausging. Er selbst war für Kamera und Ton verantwortlich, da so während der Begegnungen mit Traudl Junge der ausgestellte Charakter eines Filminterviews vermieden werden konnte. Die Gespräche mit Frau Junge fanden im Frühjahr 2001 in ihrer Münchner Wohnung statt. Heller und Schmiderer montierten aus dem über 10stündigen Material zunächst eine dreieinhalbstündige Fassung, die sie Traudl Junge vorführten. Während der Vorführung hatte Frau Junge Gelegenheit, vor der Kamera Ergänzungen und Korrekturen vorzunehmen. Unter Einbeziehung der neuen Aufnahmen komprimierten Heller und Schmiderer den Film schließlich auf die 90minütige Kinofassung.

Seine Uraufführung erlebte Im toten Winkel auf den Internationalen Filmfestspielen Berlin 2002, wo er mit dem Panorama-Publikumspreis ausgezeichnet wurde. Traudl Junge verstarb nach schwerer Krankheit in der Nacht des 11. Februar 2002, wenige Stunden nach der Uraufführung des Films. Piffl Medien bringt den äußerst sehenswerten Film nun erneut in die Kinos.

Im toten Winkel - Hitlers Sekretärin (2002)

Traudl Junge war eine der Privatsekretärinnen von Adolf Hitler. Sie arbeitete für ihn im Führerhauptquartier in der Wolfsschanze, im Berghof am Obersalzberg, im Sonderzug und in Berlin.

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