Where the truth lies – Cannes 2005

Das Geflecht aus Wahrheit und Lüge

Zu den großen Namen des Autorenkinos, die das Festival von Cannes in diesem Jahr schmücken, zählt zweifelsohne auch der kanadische Regisseur Atom Egoyan, dessen letzter und vielleicht persönlichster Film Ararat an den Kinokassen scheiterte. Doch die Aufarbeitung des Genozids an den Armeniern im Jahr 1915 war dem Publikum offensichtlich zu düster geraten, trotz einhelligen Kritikerlobs. Nun kehrt er mit seinem neuen Film Where the truth lies auf die Leinwand zurück, und es spricht einiges dafür, dass dieses Werk nahtlos an die Erfolge Exotica und Sweet Hereafter anknüpfen kann.

Der Film spielt – wie häufig bei Atom Egoyan – auf zwei verschiedenen Zeitebenen: Zum einen in den späten Fünfzigern, zum anderen in den frühen Siebzigern. Im Mittelpunkt des Interesses steht das (freilich fiktive) legendäre Komiker-Duo Lanny Morris (Kevin Bacon) and Vince Collins (Colin Firth), die mit ihren Shows und Auftritten ganz Amerika begeisterten. Eine Sache allerdings stört den Siegeszug der beiden empfindlich: Die Leiche einer jungen Blondine in ihrem Hotelzimmer in New Jersey. Dank eines wasserdichten Alibis können die beiden Showstars nicht belangt werden, doch kurz darauf erfolgt die Trennung des berühmten Duos. In den frühen Siebzigern schließlich macht sich die junge Journalistin und Buchautorin Karen O’Connor (Alison Lohman) auf die Spur von Vince Collins und das Geheimnis seiner Trennung von seinem Partner. Schritt für Schritt beginnt sie die Schichten aus Lüge und Heuchelei abzutragen und das Geheimnis zu enthüllen, das die beiden so sorgsam zu verstecken suchten.

Scheinbar mühelos gleitet die Kamera wie so oft bei Egoyan durch Raum und Zeit, wechselt die Standpunkte und enthüllt so eine Wahrheit, die so komplex und verquer ist wie das Leben selbst, zumal sich die Ereignisse und Personen der (filmischen) Vergangenheit und Gegenwart aneinander reiben, sich ineinander spiegeln und sich folglich bald beginnen aufzulösen. Die hypnotische Musik von Mychael Danna tut das Ihre dazu, aus Egoyans Film einen sinnlichen, intelligenten und tiefen Film Noir zu machen, der die Messlatte für die anderen Wettbewerbsfilme reichlich hoch hängen dürfte – klassisches Arthouse-Kino von seiner besten Seite also. Mit Where the truth lies findet Atom Egoyan zu jenem Genre zurück, das seine Filme wie Exotica oder Sweet Hereafter zu exzeptionellen und raffinierten Filmkunstwerken machten, die ihresgleichen suchen – das komplizierte und verschachtelte Psychodrama, in dem es um verborgene Schuld, verschüttete Motive und die Aufarbeitung persönlicher Traumata geht. Und ganz nebenbei seziert er das Showbusiness als Welt des schönen Scheins und der seelischen Abgründe. Das ist als Analyse zwar nicht unbedingt neu, aber enorm anregend. Einziger Negativpunkt des Films: Wie stets wirkt das alles ein wenig steril, weil die kühnen Plotkonstruktionen des Kanadiers den Kopf so sehr in Anspruch nehmen, dass das Gefühl manchmal auf der Strecke zu bleiben droht. Einer der intelligentesten Filmemacher der Gegenwart hat mit diesem Film zweifellos ein neues Filmkunstwerk erster Güte geschaffen. Und man darf sich jetzt schon darauf freuen, wenn der Film endlich in die deutschen Kinos kommt.

Where the truth lies – Cannes 2005

Zu den großen Namen des Autorenkinos, die das Festival von Cannes in diesem Jahr schmücken, zählt zweifelsohne auch der kanadische Regisseur Atom Egoyan, dessen letzter und vielleicht persönlichster Film Ararat an den Kinokassen scheiterte.

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