Riding Giants

Auf der Suche nach der perfekten Welle

„Das ist die perfekte Welle, das ist der perfekte Tag, lass dich einfach von ihr tragen, denk am besten gar nicht nach. Das ist die perfekte Welle…“ Wahrscheinlich wird auch in diesem Sommer der Hit der Gruppe Juli von den Radiostationen rauf und runter genudelt werden. Vielleicht liegt es an der eingängigen Melodie, vielleicht aber auch an der treffenden Beschreibung dessen, was Surfer permanent umtreibt, hinter was sie ständig herjagen. „Doch warum geben Menschen ihr ganzes Leben hin, um mit einem Board auf einer Welle zu reiten?“ fragt sich Stacy Peralta und schiebt die Antwort umgehend hinter her, in Form einer hundertundeine Minuten andauernden Hommage an die für alle Surfer wohl schönste Form von Wasser, an die Welle. In Riding Giants, der 2004 bereits erfolgreich auf dem Sundance-Filmfestival lief, geht Stacy Peralta, selbst begeisterter Surfer und Mitbegründer einer ganz anderen Welle – der Skater-Welle — der Faszination des Wellenreitens im Allgemeinen und des Big Wave Surfens im Speziellen auf den Grund.

Sam George, Mickey Munoz, Peter Cole, Dick Brewer oder Bill Hamilton – allesamt Surf-Veteranen und Big-Wave-Pioniere des Wellenreitens – beschreiben den Moment, an dem man eins wird mit der Welle für den schönsten Augenblick in ihrem Leben. Nur überboten, so die vierschrötigen Lebenskünstler, durch die Geburt ihrer Kinder. Doch am besten dokumentieren wohl die zum Teil atemberaubenden Aufnahmen ihrer Ausflüge das Gesagte. Stacy Peralta, der sich spätestens mit der preisgekrönten Skater-Dokumentation Dogtown & Z-Boys als Filmemacher einen Namen erwarb, hat gemeinsam mit seinem Team beeindruckendes Film- und Fotomaterial zusammengetragen. Zu sehen sind die schönsten Strände der USA. Strände, wie Makaha, Oahu und Waimea sowie die kalifornische North Shore und Maverick. Strände, an denen sie sich brechen, die Riesen-Wellen. Das umfangreiche Bildmaterial vermittelt einen sehr guten Eindruck, wie sich der Surfsport in den vergangenen Jahrzehnten entwickelt hat – von den Anfängen in den 40er Jahren und der allmählichen Entstehung einer Subkultur bis in die heutige Zeit.

Der Zuschauer ist dabei, wenn eine Horde wilder Jungs sich in den Vierzigern aufmacht in Hawaii das Surfen neu zu erleben. Monatelang leben sie am Strand in einfachen Holzhütten, essen den täglich frisch gefangen Fisch, die auf Plantagen stibitzten Ananas und Papayas und die hin und wieder geklauten Hühner. Sie feiern ausgelassen am Lagerfeuer und vertreiben sich mit skurrilen Mutproben, die mitunter an die wilden Eskapaden Jimmy Knoxvilles in Jack Ass erinnern, die Zeit bis zur nächsten Welle. Bereits in den Vierzigern wurde das Surfen als Ausdruck eines Lebensgefühls verstanden, als Rebellion gegen die Eltern und ist seither stets verbunden mit den Klischees von sonnengebräunter Haut, von der Sonne gebleichten Haaren, von einem zwanglosen Leben ohne Verpflichtungen und der steten Freude an allem was man tut.

Zu Beginn des Films jagt ein kurzweiliger Comic – im Stile Monty Pythons Flying Circus – fast wie im Zeitraffer durch 1500 Jahre des Surfens. Ansonsten lässt Stacy Peralta die Helden der Wellen selbst zu Wort kommen. Je nach Sujet lässt er schnelle Schnitte und hektisch aneinander gereihte Bildsequenzen auf langsame Totalen folgen. Mal zoomt er in einer Einstellung ganz nah heran, dann spielt er wieder mit Schärfe und Unschärfe. Immer wieder wird die Stimme aus dem Off von einem O-Ton unterbrochen, dann sprechen wieder Minutenlang nur die Bilder. Abgerundet wird das Ganze durch einen wunderbaren Soundtrack, der – Dank der Songs von Bands wie Gabby Phinui Hawaiian Band, Dick Dale, Stray Cats und The Hives, aber auch von Pearl Jam oder Soundgarden – musikalisch durch die Jahrzehnte führt und sein Übriges tut, um das Lebensgefühl jener frühen Jahre ebenso wiederzuspiegeln, wie den Drang nach Perfektion und die ständige Suche nach dem nächsten Kick des frühen 21. Jahrhunderts. Wenn es ausnahmsweise einmal kein Bildmaterial gibt, wie beispielsweise von der Beschreibung, was an dem Tag passiert sein muss, als Mark Foo 1994 aus den Mavericks einfach nicht mehr auftauchte, wird in Comicstrips nachgestellt.

„Du bist wie ein Fussel in einer Waschmaschine!“ beschreibt Greg Noll den Augenblick wenn ein Surfer vom Brett gleitet und von der Welle, die bis zu diesem Zeitpunkt noch „deine Geliebte“ war, auf einmal erfasst und durchgewirbelt wird. Greg Noll ist auch bekannt als „der Bulle“. Den Namen verdankt er seiner Statur aber auch seiner einmaligen Art „wie der Teufel auf den Wellen zu reiten“. Stets in seiner schwarz-weiß gestreiften Badeshorts unterwegs, gehörte er zu den Pionieren, die sich als erste an das Big Wave surfen heran getraut haben. Im Laufe des Films wird immer wieder deutlich: Surfer sind aus ganz besonderem Holz geschnitzt. Sie sind unverbesserliche Draufgänger, benehmen sich bis ins hohe Alter wie wilde Jungs und sind nur dann glücklich, wenn sie sich auf einer Welle befinden. Wie beispielsweise Jeff Clark, der 15 Jahre lang einsam und alleine die Big Waves von Maverick surfte, da niemand ihm glaubte, dass man tatsächlich an diesem felsigen Strand unbeschadet surfen kann. Warum Maverick schließlich doch noch zu einem der Hotspots für kalifornische Surfer wurde, wo die Gefahren ihrer Wellen liegen, was sich hinter den Begriffen Line-Up oder Caught in the Break verbirgt und was das Geheimnis eines gelungenen Take Off ist, erfährt man in einem kurz eingeschobenen, unprätentiösen Surf-Glossar. Für einen kurzen Moment flackert sogar so etwas wie Nachdenklichkeit auf, wenn sich die wilden Jungs an die Opfer der Wasserriesen erinnern. An jene, die es nicht geschafft haben, denen die Welle zum Verhängnis und dem Rest von ihnen zur Mahnung wurde, dass es eben nicht immer gut gehen kann.

Und wenn der Zuschauer denkt, er habe bereits alles gesehen, was auf der Welle möglich ist, kommt endlich einer zu Wort, den alle – die Veteranen ebenso wie die jungen Wilden – als den wohl weltbesten Surfer und Bigwave-Reiter aller Zeiten titulieren: Laird Hamilton. Er ist es, der durch seine Erfahrungen auf dem Snowboard und vor allem dem Wakeboard auf die Idee kam, nicht mehr aus eigener Kraft in die Welle zu paddeln, sondern sich von einem Zodiac oder besser noch von einem Jetski direkt in die Welle ziehen zu lassen. Seit der Geburtsstunde des Tow-In Surfen ist es möglich, Wellen auch bis zu einer Höhe von circa 20 Metern zu reiten. Ob man das nun will oder nicht. Zu wissen dass es möglich ist und welcher Weg es war bis dahin zu kommen, das hat man nach hundert Minuten verstanden. Und so ist Riding Giants ein faszinierendes Dokument über einen Sport geworden, der für viele zum Lebensinhalt geworden ist. „Ein Leben, bestimmt von völliger Hingabe und der Überwindung jeglicher Ängste, dessen Sinn die Suche und die erfolgreiche Bezwingung der monumentalsten Wellen der Welt ist.“

„Mit jeder Welle kam ein Traum, doch Träume gehen vorüber, dein Brett ist verstaubt, deine Zweifel schäumen über, du hast dein Leben lang gewartet, hast gehofft, dass es sie gibt, du hast den Glauben fast verloren, hast dich nicht vom Fleck bewegt. Jetzt kommt sie langsam auf dich zu, das Wasser schlägt dir ins Gesicht, siehst dein Leben wie ein Film, du kannst nicht glauben, dass sie bricht. Das ist die perfekte Welle…“

(Jasmin Haery)

© des Bildes: Tim Mc Kenna

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Das ist die perfekte Welle, das ist der perfekte Tag, lass dich einfach von ihr tragen, denk am besten gar nicht nach. Das ist die perfekte Welle…

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