Die Blaue Grenze

Eine Filmkritik von Katrin Knauth

Zwischen Himmel und Erde

Träge und schwerfällig erscheint der 20-jährige Momme Bief (Antoine Monot Jr.). Der viel älter wirkende Junggeselle kommt erst dann in Bewegung, als sein Vater stirbt. Dieser Umstand führt ihn auf eine Fahrt an die titelgebende blaue Grenze, die Flensburger Förde, die Deutschland von Dänemark trennt. Dort lebt sein Großvater, wunderbar gespielt von Joost Siedhoff, zurückgezogen in einer Gartenlaube. In dieser Siedlung begegnet er auf einem nächtlichen Fest der wunderschönen Dänin Lene (Beate Bille). Der englische Titel wird dem gerecht, was sich fortan zwischen den beiden entwickelt: „A Quiet Love“. Doch Lene verschlägt es wieder auf die andere Seite der blauen Grenze. Doch weil sie in der ersten Nacht in einem fremden Katen von Kommissar Poulsen (Dominique Horwitz) erwischt und auf dem Revier verhört werden, finden sie irgendwann am Ende des Films wieder zueinander. Bevor es soweit ist, darf der Zuschauer ausgiebig am Schicksal von Poulsen teilhaben, der auf komische Weise verzweifelt versucht, zu seinen Mitmenschen Anschluss zu finden. Zuneigung bekommt er erst von seiner esoterischen Nachbarin Frau Marx (Hanna Schygulla), die nur mit Verzögerung zur großen Liebe seines Lebens wird, wenn es da nicht ein gewisses, dunkles Geheimnis gebe.
Der Film trägt den Untertitel „Ein Film über die Lebenden, die Toten und die unsterblich Verliebten“. Die Blaue Grenze fungiert hier nicht nur als geographische Trennungslinie, sondern markiert auch die Grenze zwischen Himmel und Erde, zwischen Träumerei und Realität, zwischen Rationalem und Irrationalem. Die Grenze verwischt zuweilen. Mommes Großvater ist noch am Leben, seine Frau und nun auch sein Sohn sind tot. Er hat sich vollkommen verkrochen, sich abgewendet vom Leben, sich seinen Erinnerungen entzogen. Leblos, störrisch und resigniert driftet er dahin. Der 80-jährige Schauspieler Joost Siedhoff ist ein seinem wirklichen Leben weitaus munterer und produktiver. In über 300 Film- und Fernsehrollen war er zu sehen, darunter aktuellere Produktionen wir Kevin Spaceys Beyond the Sea (2004) und Eric Tills Luther (2003).

Das erste Mal seit 20 Jahren wieder in einem deutschen Film auf der Leinwand zu sehen, ist die Fassbinder-Muse Hanna Schygulla. Es ist erstaunlich, dass der noch relativ unbekannte Regisseur Till Franzen eine der außergewöhnlichsten und größten Stars des europäischen Kinos für Die Blaue Grenze gewinnen konnte. Die Schygulla ist nicht nur die wichtigste Schauspielerin der Rainer-Werner-Fassbinder-Filme, sondern drehte auch zusammen mit renommierten Regisseuren wie Volker Schlöndorff, Jean-Luc Godard und Andrzey Wajda. Franzen selbst ist großer Verehrer ihrer Arbeit. Die Rolle der Frau Marx hat er ihr auf den Leib geschrieben, die ganze Zeit hatte er nur sie im Kopf. Die in Paris lebende Schauspielerin war ganz angetan von dem Drehbuch und nahm zu seinem Erstaunen die Rolle an. Obwohl Die Blaue Grenze Franzens erster abendfüllender Spielfilm ist, hat sie ihm, nach seinen Angaben, nie das Gefühl gegeben, er sei noch ein Debütant.

Till Franzen, der an der dänischen Grenze geboren ist, legt mit dieser Regiearbeit einen sehr persönlichen Film vor. Mit 19 Jahren ist er von Flensburg weggegangen – mit seinem Film kehrt er an den Ort seiner Kindheit zurück und entdeckt ihn mit einigen Jahren Abstand aufs Neue. Durch das Fenster seines Kinderzimmers konnte er die blaue Grenze sehen, die Flensburger Förde. Für ihn selbst ist blau nicht nur die Farbe des Meeres, sondern auch die Farbe, die zwischen Leben und Tod liegt. Der 32-jährige studierte Filmemacher hat bereits zahlreiche Kurzfilme und Musikvideos u.a. für Blumfeld realisiert und arbeitet zurzeit an seinem zweiten Spielfilm Im Tal der Träume.

Urbane, unterkühlte Stadtfilme wie die der Berliner Schule sind nicht Franzens Stil. Er sehnt sich nach Natur, Romantik, märchenhafter Traumwelt. Er will mit der Kamera raus in die Berge, ans Meer, in den Wald. Einöde und Einsamkeit bestimmen den Rhythmus seines Films und darin liegt sein Problem. Das visuell Schöne wirkt zu trostlos. Der Film bewegt sich nur schwerfällig von der Stelle. Das geduldige Warten auf filmisch bedeutende Ereignisse wird nicht erfüllt. Enttäuscht verlässt man den Kinosaal, um alsbald von der Dynamik und Schnelligkeit einer Großstadt wieder ins rege Lebe zurückgeholt zu werden.

Die Blaue Grenze

Träge und schwerfällig erscheint der 20-jährige Momme Bief (Antoine Monot Jr.). Der viel älter wirkende Junggeselle kommt erst dann in Bewegung, als sein Vater stirbt.
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Meinungen

schnuddel · 26.02.2009

super super toller film. so etwas habe ich seit jahren nicht mehr gesehen. bin noch ganz benommen. endlich hat mal jemand mut bewiesen.

Sven · 09.02.2006

Toller Film, tolles Umfeld? Wo spielt der Film doch gleich? Flensburg, oder?

Traumhaft, da an der deutsch-dänischen Grenze. Anmutig, mysteriös. Da muß ich hin!

· 30.11.2005

Der Film ist ganz nett, aber eben nur nett. Auch wenn hanna Schygulla mitspielt, Till Franzen wird wohl kaum der neue Fassbinder.

johanna · 14.11.2005

ich habe die blaue grenze schon sehen dürfen und ich freue mich ihn nocheinmal sehen zu dürfen...