Mitfahrer

Mit Menschen unterwegs

Die beliebte neudeutsche Abkürzung MFG kann vieles bedeuten: Zum einen steht sie als Kürzel für die Formel „Mit freundlichen Grüßen“, zum anderen – und das wissen vor allem Filmfreaks – bezeichnet sie die Medien- und Filmgesellschaft Baden-Württemberg. Und zu guter Letzt, beinahe in Vergessenheit geraten stehen die drei Buchstaben für die „Mitfahrgelegenheit“. Und um genau jene dreht sich Nicolai Albrechts Film Mitfahrer, der 2005 die Reihe „Perspektive Deutsches Kino“ auf der Berlinale eröffnete.
Es ist Sommer in Deutschland. Mühsam quälen sich die Blechlawinen über die verstopften Autobahnen, Auto steht an Auto und auch in den Wagen kommt man sich näher, wenngleich man sich wie in den drei geschilderten Geschichten bislang nicht kannte und sich auch danach wahrscheinlich nie wieder begegnen wird. Doch es ist gerade diese Ausschnitthaftigkeit und Zufälligkeit, die hier den Reiz des Films ausmacht. So unterschiedlich die Fahrer und ihre Begleiter auch sein mögen, eines verbindet sie doch, denn sie haben ein gemeinsames Ziel – die Hauptstadt Berlin. An einem Freitagnachmittag steigen Carolin (Anna Brüggemann) und Hilal (Michael Ojake) vor der Mitfahrzentrale in Köln bei dem Bademodenvertreter Peter (Ulrich Mattes) in den Wagen. Der ist sichtlich erfreut über die bevorstehende Unterhaltung und vor allem über die Aussicht, sich die lange Fahrt auf angenehme Weise mit einer jungen und hübschen Frau zu vertreiben. Zeitgleich nimmt Katharina (Jana Thies) in Kassel die beiden Mitfahrer Sylvester (Ivan Shvedoff) und Fabian (Michael Wiesner) mit auf die Reise. Fabian will für das Wochenende der Enge der Provinz entkommen und durch die Clubs der Hauptstadt ziehen, während auf den zwielichtigen Sylvester dringende Geschäfte warten, die vermutlich ebenso dubios sind wie er selbst. Und Kathrin zieht es heim zu ihrem Liebsten (Nicolas Wackerbarth). Schließlich sind da noch Loubelle (Ingrid Sattes) und ihre freche Tochter Rosa (Marie-Terese Katt), die sich auf dem Weg zum Verflossenen der Mutter befinden und unterwegs den mittlerweile an einer Raststätte gestrandeten Sylvester auflesen – und das, obwohl sie sonst eigentlich nie einen Anhalter mitnehmen. Doch an diesem Tag ist für die Beteiligten alles anderes, und bis zur Ankunft in Berlin werden sich manche Pläne, Hoffnungen oder Ziele radikal verändert haben.

Nicolai Albrechts Abschlussfilm an der dffb und mit Hilfe des WDR und ARTE produziert, spielt zu 80 Prozent auf der Autobahn, was während der Dreharbeiten eine ziemliche Herausforderung darstellte. Beim Drehen im fließenden Verkehr saßen Regie, Kamera, Continuity, Licht und Kamera- und Regieassistenz dicht gedrängt auf einer offenen Pritsche, während das Spielauto hinterher gezogen wurde. Und diesem folgten zwei bis drei Produktionsfahrzeuge, die überdies von mindestens einem Polizeifahrzeug begleitet wurden, um die Sicherheit der Crew und des Verkehrs zu gewährleisten. Umso mehr erstaunt es, wie dicht der Episodenfilm geraten ist. Zumal die weitgehende Beschränkung auf den Spiel- und Handlungsort Auto nicht gerade viel Abwechslung zu bieten hat, was leider am Ende des Films auch in einer gewissen Eintönigkeit der Bilder zu spüren ist. Andererseits ist es gerade die beinahe physisch zu fassende Enge und Stickigkeit, die die Emotionen, Entwicklungen und Verwirrungen beinahe ungefiltert auf die Zuschauer einprasseln lässt, was neben Albrechts sensibler Regie vor allem den hervorragend aufspielenden Akteuren zu verdanken ist.

Vielleicht sieht man nach Nicolai Albrechts bemerkenswertem Debüt Mitfahrer den Autowahn der Deutschen ja mit anderen Augen – nicht als Mobilitätswahn und Autofanatismus, sondern als Metapher für die Suche nach sich selbst und das Leben als ewige Reise mit häufig wechselnden Begleitpersonen.

Mitfahrer

Die beliebte neudeutsche Abkürzung MFG kann vieles bedeuten: Zum einen steht sie als Kürzel für die Formel „Mit freundlichen Grüßen“, zum anderen – und das wissen vor allem Filmfreaks – bezeichnet sie die Medien- und Filmgesellschaft Baden-Württemberg.
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Meinungen

MFG · 20.11.2005

Wenn deutsche Schauspieler versuchen Alltagsmenschen zu spielen, wirkt das auf mich immer ulkig - nur beim Ensemblezampano Dresen wird diese unfreiwillige Komik rührend - weil sie nicht von der Beobachtung ausgehen. Das Staatstheater hat sich ins Kino verirrt und führt sich gekonnt auf. Das erzählt mir aber nichts über deutsche oder menschliche Wirklichkeit. Das erzählt mir einzig, das deutsche Kino fuhrwerkelt weiter in einer geschützten Werkstätte vor sich hin und scheut den internationalen Erfolg. Mit Freundlichen Grüssen.

Berti · 19.11.2005

Was bittschön soll daran neu sein? Eine neue Variante von Langeweile und Oednis im deutschen Kino?

· 18.11.2005

Endlich mal was neues im deutschem Kino.