Schläfer

Eine Filmkritik von Joachim Kurz

Das Leben des Anderen

Alles beginnt mit einem netten kleinen Sonntagsspaziergang im Park. Eine nette Dame und ein junger Mann gehen ihres Weges und plaudern miteinander. Erst spät merkt man, was da eben wirklich los war – eine Anwerbung des Verfassungsschutzes. Der junge Mann heißt Johannes Merveldt (Bastian Trost) und ist gerade von Berlin nach München gezogen, um an der TU zu arbeiten. Das Ziel seiner Spitzeldienste ist sein neuer Kollege Farid Madani (Mehdi Nebbou), der – allein das reicht ja bereits für einen Anfangsverdacht – algerischer Herkunft ist. Noch weigert sich Johannes, das Spiel mitzuspielen, doch er freundet sich wie selbstverständlich schon einmal mit Farid an – es kann ja nicht schaden. Allerdings bekommt die Freundschaft einen ersten kleinen Dämpfer, als sich Farid und Johannes in die gleiche Frau, die Kellnerin Beate (Loretta Pflaum) verlieben. Und Farid scheint zunächst mehr Glück bei der jungen Frau zu machen. Mehr aus Frustration beginnt Johannes nun tatsächlich für den Verfassungsschutz zu arbeiten. Und prompt bekommt er Informationen zugespielt, die ihm dabei helfen, seine zunächst glücklose Beziehung zu Beate günstiger zu gestalten. Und ist Farid nicht vielleicht ein wenig verdächtig? Seine Leidenschaft für Ballerspiele? Seine Gebete? Als in München eine bombe explodiert, nimmt das Unglück seinen Lauf. Der wahre Schläfer und Fanatisierte ist aber ein anderer…

Anders als Das Leben der Anderen spielt Schläfer nicht in einer verdrängbaren Vergangenheit, die entweder die Einen nichts angeht oder von den Anderen verteidigt wird. So – vermeintlich – leicht macht es Benjamin Heisenberg den Zuschauern nicht. Er beobachtet vielmehr das Jetzt und heute, das Unbehagen und die alltägliche Paranoia nach dem 11. September 2001, die schleichende Angst vor dem Anderen und Fremden, die sich selbst in den Köpfen indifferenter oder toleranter Bürger breit macht. Ein Algerier? Al-Quaida! Ein Kopftuch? Eine Islamistin! So einfach ist das mit den Vorurteilen. Das Problem nur ist dabei Folgendes: Das schleichende Gift des Misstrauens und des Generalsverdachts frisst sich in die Seelen und lässt nicht zurück als Schläfer. Faschismus? Nie wieder! Nur der alltägliche Faschismus in unseren Köpfen, den bemerken wir nicht, der kommt wie ein Dieb in der Nacht.

Benjamin Heisenbergs Film Schläfer war im letzten Jahr auf den Filmfestspielen von Cannes zu sehen und wurde von der französischen Filmkritik bereits als Teil einer „Nouvelle Vague Allemande“ gefeiert. Und tatsächlich lässt sich an seinem Film und an anderen Werken, vornehmlich von Christian Petzold, aber auch von anderen Regisseuren wie Christoph Hochhäusler, so etwas wie ein neuer, beziehungsweise lange verloren geglaubter Stil des Filmemachens ableiten, eine neue Ökonomie der Mittel, eine Bescheidenheit und beneidenswerte Klarheit, die im Buchstabengewitter einer „Deutschland-sucht-de-Superstar“-, „Super-Angie“- und Der-Titan-Kahn-Mentalität unterzugehen droht. Genau deshalb braucht es auch mehr solcher Filme. Und jetzt weitermachen bitte!
 

Schläfer

Alles beginnt mit einem netten kleinen Sonntagsspaziergang im Park. Eine nette Dame und ein junger Mann gehen ihres Weges und plaudern miteinander.

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Meinungen

Jan Sanders · 23.02.2010

Wirklich ein toller Film. Langsam erzählt aber sehr intensiv.

· 14.05.2006

So ein Film ist nötig. Er lehrt uns, dass Überwachungsmethoden wie im "Leben der Anderen" nicht schon zwanzig Jahre her und nur in einer "verbrecherischen Diktatur" geschehen sind. Das scheint jeder zu vergessen, der "Das Leben der Anderen" nur wegen seiner "tollen" DDR-Aufarbeitung glorifiziert. "Der Schläfer"....ansehen!