No. 2

Eine Filmkritik von Marie Anderson

Aufforderung zum Feiern

Die Vorstellung davon, wie eine gelungene Familienfeier gestaltet werden sollte, weist von Kultur zu Kultur sicherlich neben einigen Gemeinsamkeiten auch große Unterschiede auf. Dass bei einer solchen Gelegenheit auch heftige Streitereien willkommen sind, mag im Allgemeinen ungewöhnlich sein, nicht jedoch für das ereignisreiche Fest, das sich im Morgengrauen im Garten des Hauses No. 2 in Mount Roskill in Auckland anbahnt.
Von einem Traum aus fernen Tagen familiärer Geselligkeit inspiriert beschließt Nanna Maria (Ruby Dee), das Familienoberhaupt einer von den Fidschi-Inseln nach Auckland eingewanderten Sippe, nach langer Zeit wieder einmal ein rauschendes Fest zu veranstalten – und zwar sofort, noch am selben Abend. Was ihr dabei genau vorschwebt, teilt sie ihren aufgescheuchten Enkeln mit, an die sie die Vorbereitungen delegiert: Der Garten muss festlich hergerichtet, erlesene Speisen zubereitet, ein Schwein auf offenem Feuer gegrillt werden; es soll bei rotem Wein und weißen Tischtüchern getanzt, gesungen, gestritten und gelacht werden, und nur die Enkel sind geladen, keine Fremden, nicht einmal ihre eigenen Kinder, die sie schlicht als nutzlose Gesellen tituliert. Und der Höhepunkt des Festes soll darin bestehen, dass Nanna Maria ihre Nachfolge unter den Enkeln bestimmt und verkündet.

Zunächst unwillig und zögernd, dann jedoch mit wachsendem Engagement beginnen die Arbeiten für die Familienfeier, der bereits von Anfang an die Vorboten von Zwistigkeiten vorauseilen. Während der Freund der kapriziösen Hibiscus (Miriama McDowell) als Außenstehender von der Klanchefin abgelehnt wird, heißt diese die europäische Freundin ihres liebsten Enkels Tyson (Xavier Horan), Danish Maria (Tuva Novotny), spontan als ganz besonderen Gast willkommen, und zwischen den Namensvetterinnen entspannt sich rasch eine zugeneigte Verbindung. Insgesamt jedoch ist Nanna Maria von den Bemühungen ihrer Enkel wenig begeistert, und als schließlich noch ungeladen ihre Kinder auftauchen, bläst sie nach einem Wutausbruch kurzerhand die Veranstaltung ab und zieht sich ins Haus zurück.

Nun aber raufen sich ihre Nachkommen – für den Augenblick zumindest – zusammen, beenden sorgfältig die Vorbereitungen und laden sämtliche Verwandte und Freunde ein, so dass die Matriarchin bei Dämmerung doch noch an der festlichen Tafel thront und das Fest beginnen kann. Jedoch lassen die nächsten Streitigkeiten nicht lange auf sich warten, und dann steht noch die Verkündigung der Nachfolge des Familienoberhauptes an, die eine große Überraschung für alle bereithält…

Der Regisseur Toa Fraser, der mit No. 2 sein Spielfilmdebüt vorlegt, hat mit einer großartigen Darsteller-Crew einen Liebesbrief an das Leben, seine Freunde und seine Familie gedreht, die seit über 50 Jahren in seiner Wahlheimat Mount Roskill in Auckland lebt, in die er mit 14 aus Großbritannien, wo er geboren wurde, übersiedelte. Ursprünglich hat er die Geschichte der lebensfrohen Nanna Maria, die mit einem traditionellen Fest ihre Familie an ihre Wurzeln und deren Leidenschaftlichkeit erinnern will, als Theaterstück verfasst, in dem zehn Rollen mit einer einzigen Darstellerin besetzt wurden. Und diese Bühnenfassung von No. 2 wurde derart erfolgreich, dass sie in ganz Neuseeland lange vor ausverkauften Häusern aufgeführt wurde, bevor sie den ersten Preis beim Edinburgh Frinch Festival gewann und in Mexiko, auf Jamaika und den Fidschi-Inseln, in Holland und Schweden sowie im King´s Head in London und in Sydney zu sehen war. Nach mühseliger Arbeit von ungefähr 20 Drehbuchentwürfen Frasers war der Stoff dann bereit für die Filmproduktion, und der Erstling des jungen Regisseurs erhielt auf dem Sundance Film Festival 2006 den Publikumspreis in der Reihe „World Cinema“.

No. 2 bietet in erster Linie charmante, erfrischende und mitreißende Unterhaltung mit kulturellem Kolorit vom anderen Ende der Welt. Die familiären Konflikte und ihre Austragung, die mit harmonischen Sequenzen einer unzerstörbaren Zusammengehörigkeit durchsetzt sind, flackern in turbulenter Manier lebhaft und wild auf, ohne vertieft oder gar analysiert zu werden, und wenn es eine Botschaft gibt, so mag sie lauten: Bei Zeiten muss unbedingt gefeiert werden, und zwar mit allen Emotionen und Facetten, die das Leben zu bieten hat.

No. 2

Die Vorstellung davon, wie eine gelungene Familienfeier gestaltet werden sollte, weist von Kultur zu Kultur sicherlich neben einigen Gemeinsamkeiten auch große Unterschiede auf.
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Meinungen

conny · 13.11.2012

hallo,
ich habe den film damals auf der berlinale gesehen und er ist mir so im kopf geblieben dass ich ihn heute gern wiedersehen möchte. er ist einfach ausgezeichnet, toll, wunderbar.
kann man ihn irgendwo kaufen für zu hause?

Diana · 01.11.2006

Dieser Film ist für mich einer der besten Filme überhaupt, die es geschafft haben das wirkliche Flair und die Mentalität Neuseelands wiederzuspiegeln. Leider habe ich die Erfahrung machen müssen, dass in unserem doch recht hektischen Deutschland dieser Film oft als eher langweilig angesehen wird.
Wer jedoch interessiert daran ist, wie eine ganze normale Maori-Familie in Neuseeland lebt und agiert sollte sich diesen Film unbedingt ansehen.