Lohn der Angst (1953)

Eine Filmkritik von Joachim Kurz

Action mit Anspruch

Las Piedras in Venezuela ist ein Ort fernab jeglicher Hoffnung: Eine Ölgesellschaft ist der einzige Arbeitgeber am Ort, doch die Jobs sind rar gesät, vor allem für die hier gestrandeten Glücksritter aus aller Herren Länder. Ohne Geld ist an ein Fortkommen von diesem Ort nicht zu denken. Dann aber ergibt sich eine Chance, als eine 500 Kilometer entfernte, in Brand geratene Ölquelle mit Nitroglyzerin gelöscht werden soll. Das Problem ist nur, dass der hoch explosive Sprengstoff mit zwei Lastwagen zum Ort des Brandes gefahren werden muss; ein wahres Himmelfahrtskommando, das sich allerdings recht einträglich gestaltet. Denn mit den 2.000 Dollar, die das Unternehmen einbringt, ist es möglich, endlich Las Piedras zu verlassen und anderswo sein Glück zu versuchen.

Zu den „Glücklichen“, die für das Abenteuer ausgesucht werden, gehören der Korse Mario (Yves Montand), der Italiener Luigi (Folco Lulli) und Bimba (Peter van Eyck), ein Deutscher, der den Arbeitslagern der Nazis entkommen konnte und Jo (Charles Vanel), der älteste der vier. Ausgerechnet dieser erweist sich im Laufe der Fahrt durch den unwegsamen Dschungel als ausgemachter Feigling, denn sobald die ersten Schwierigkeiten auftauchen, will er Mario im Stich lassen. Schließlich zeigt sich, dass die Fahrt durch den Dschungel wirklich ein brandgefährliches Unternehmen ist: Luigis und Bimbas Wagen explodiert und reißt ein Kraterloch auf, das sich langsam mit Öl aus einer geborstenen Leitung füllt…

Lohn der Angst / Le Salaire de Peur, 1953 in Cannes mit dem Großen Preis ausgezeichnet, wurde ein Welterfolg. Ohne jegliche Tricks und special effects drehte Henri-Georges Clouzot einen frühen Klassiker des Actionfilms, der weit über das Genre hinausreicht. Dabei erwies sich Clouzot als Meister des Actionkinos und des sozialkritischen Films gleichermaßen.

Als äußerst wechselvoll erwies sich auch die Rezeptionsgeschichte des Films. Zeitgenössischen Berichten zufolge sollen „prominente amerikanische Gäste“ das Festivalkino in Cannes voller Empörung verlassen und den Regisseur sowie sein Werk als antiamerikanisch bezichtigt haben. Clouzots Film wurde daraufhin bei der FSK mit einer Laufzeit von 148 Minuten geprüft und mit dem Vermerk versehen: „Vor Beginn der Synchronisation“ sei „zu berücksichtigen, dass in den Texten und Dialogen im Zusammenhang mit den Amerikanern keine antiamerikanische Tendenz zum Ausdruck kommt.“ Drei Wochen nach dieser Prüfung war die deutsche Fassung von Lohn der Angst / Le Salaire de Peur nur noch 142 Minuten lang. Und wenig später lief der Film in einer nochmals überarbeiteten Schnittfassung, die nun weitere zwölf Minuten kürzer war. Auch in der damaligen DDR war der Film ebenfalls nur in einer stark gekürzten Version zu sehen. Es sollte noch Jahrzehnte dauern, bis dieser Film endlich in seiner ursprünglich intendierten Version dem Publikum zuzumuten war.
 

Lohn der Angst (1953)

Las Piedras in Venezuela ist ein Ort fernab jeglicher Hoffnung: Eine Ölgesellschaft ist der einzige Arbeitgeber am Ort, doch die Jobs sind rar gesät, vor allem für die hier gestrandeten Glücksritter aus aller Herren Länder.

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Meinungen

Martin Zopick · 24.10.2022

Ein Klassiker wegen einer Reihe von Gründen. Und die vier Helden des Nitro-Transportes kennt man inzwischen so gut, dass man sie mit dem Vornamen anreden kann: Yves, Charles, Peter und Folco.
Zunächst der beispielhafte Aufbau der Spannung:
Ein waghalsiges Wendemanöver über dem Abgrund auf einer wackeligen Holzkonstruktion. Den Nerven der Zuschauer geht es hier bereits wie dem angespannten Drahtseil, in das der Nitro-Laster einfädelt. Dann die Sprengung des Felsbrockens. Schließlich das Durchqueren einer ölgefüllten Kuhle. Das ist der Gipfel an menschlicher Grausamkeit zwischen Notwendigkeit und Erfolg. Die ölverschmierten Körper von Yves und Charles sind unvergesslich. Und wenn Yves den sterbenden Charles während der Weiterfahrt im Arm hält, dürfen Männer weinen.
Dann der tiefe Einblick in die menschliche Psyche und deren Wandel. Die Entzauberung eines Helden. Charles, der souveräne, anscheinend sehr mutige Mann von Welt entpuppt sich als Angsthase.
Außerdem die Unterstützung der emotionalen Ebene durch markante Symbole und telepathische Fernwirkungen: wie z.B. eine Fahrkarte der Metro und die Ohnmacht der hübschen Vera Clouzot!
Aber der Gipfel der gekonnten Perfektion ist der Schluss. Die Überleitung durch Walzermelodien von der tanzenden Vera zum übermütig fahrenden Yves. Dem folgen nur noch drei Bilder: Yves blutendes Gesicht, die Fahrkarte und Sirenengeheul. Ende. Waoh! Zeitlos aktuell, unheimlich dramatisch, stellenweise sehr anrührend. Ein Film für den Olymp!