Das doppelte Lottchen

Eine Filmkritik von Joachim Kurz

Wer seinen Kindern ganz wesentliche Elemente ihrer eigenen Geschichte verschweigt, riskiert damit zumindest, dass die verborgenen Informationen eines Tages unvermittelt auftauchen und wuchtig im Leben des Nachwuchses einschlagen. Derartige Geschehnisse tragen sich auch im mehrfach verfilmten Kästner-Klassiker Das doppelte Lottchen von 1949 zu, der rührenden Geschichte zweier früh getrennter Zwillingsmädchen, die mit reichlich Charme und Hartnäckigkeit für die Wiedervereinigung ihrer zerrütteten Familie kämpfen. Das Drehbuch der ersten filmischen Inszenierung des Stoffes von Josef von Báky (Münchhausen, 1943, Die Frühreifen, 1957, Sturm im Wasserglas, 1960) in schwarzweißen Bildern stammt ebenfalls von Erich Kästner, der innerhalb des Films auch eine Funktion als Erzähler der Geschichte übernimmt.
Als in einem Ferienheim für junge Mädchen in Seebühl am Bühlsee die energische Luise Palfy (Isa Günther) aus Wien der aus München angereisten Lotte Körner (Jutta Günther) begegnet, ist sie zunächst deutlich unangenehm berührt, denn das scheinbar fremde kleine Geschöpf ähnelt ihr in verblüffender Weise. Doch die anfänglich grimmige Distanz verwandelt sich rasch in eine tiefe Verbundenheit, zumal die beiden, die das Thema Nummer eins der Ferienfreizeit darstellen, bald entdecken, dass sie tatsächlich Zwillinge sind und von ihren Eltern nach deren Scheidung kurzerhand aufgeteilt wurden. Während Luise mit ihrem Vater Ludwig (Peter Mosbacher), der Opern komponiert, weiterhin in Wien zusammenlebt, ist Lotte mit ihrer Mutter Luiselotte (Antje Weisgerber) nach München gezogen, wo diese als Journalistin arbeitet. Nach ausführlicher Erörterung der komplizierten Gegebenheiten soll sich dies allerdings nun ändern, denn die beiden kleinen Verschwörerinnen haben beschlossen, die Route der Rückreise nach Hause und somit ihr gesamtes Leben schlicht heimlich zu tauschen …

Als großartige Geschichte mit sensibler Heiterkeit eng an der literarischen Vorlage entwickelt, erscheint Das doppelte Lottchen einerseits als unterhaltsames Stück einer holprigen Familienzusammenführung, andererseits aber auch als kritische Demontage eines überholten gesellschaftlichen Bildes festsitzender Eltern-Kind-Konstellationen, die in der damaligen Nachkriegszeit zunehmend zu bröckeln begannen. Vorrangig dominiert jedoch die Betrachtung der liebevoll und mehrdimensionalen gezeichneten Figuren, deren Freud und Weh emphatisch vom Zuschauer begleitet wird. Auch wenn es mittlerweile einige modifizierte und moderne Verfilmungen gegeben hat, haftet der nostalgischen Originalversion doch am stärksten der ursprüngliche Geist des Stoffes an, dessen Zauber auch nach beinahe sechzig Jahren noch ungebrochen wirkt.

Das doppelte Lottchen

Es ist kaum zu glauben und doch bezeichnend für den damaligen Zeitgeist, dass Erich Kästners Kinderbuch Das doppelte Lottchen, das 1949 publiziert wurde, bei seinem Erscheinen für einen handfesten Skandal sorgte.
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Meinungen

Susanne Hegeler · 18.05.2007

super schöner film. einfach und ginal für kinder einfach klasse. nur die hexe machte meinen kindern (3 und 5 jahre) etwas angst