El Custodio – Der Leibwächter

Eine Filmkritik von Joachim Kurz

Im Schatten der Macht

Rubén (Julio Chávez) ist Leibwächter des argentinischen Planungsministers (Osmar Núnez) und als solcher unrettbar dem Tagesablauf seines Dienstherren ausgeliefert. Wo auch immer der Minister hingeht, ob in eine Kabinettssitzung oder zur Geliebten, sein Schatten folgt ihm stets getreu auf dem Fuße, überprüft die Lage hier, sondiert das Terrain da und bleibt doch stets außen vor, ein Muster an Diskretion und Unauffälligkeit. Rubéns Leben zwischen ständiger Bereitschaft und entsetzlicher Monotonie wird nur gelegentlich durchbrochen von episodenhaft aufblitzenden Zurechtweisungen und Erniedrigungen, die der Mann mit dem unbewegten Gesicht in scheinbar stoischer Ruhe über sich ergehen lässt. Wer aber in dem ständigen Bewusstsein, sein Leben für das eines anderen geben zu müssen, existiert, der hat mit dem eigenen Leben längst abgeschlossen. Und so verfügt auch Rubén kaum über private Bindungen, seine geistig verwirrte Mutter wird mehr geduldet als geliebt und körperliche Nähe findet ausschließlich mit Prostituierten statt, zur Wiederherstellung des hormonellen Gleichgewichts – damit der permanente Druck ein wenig abgebaut werden kann und er noch ein Weilchen funktioniert. Als es schließlich dann doch zum großen Knall kommt, der wie ein unsichtbares Damoklesschwert über Rubén hängt, ist dies nichts weiter als die finale Konsequenz im Leben eines Mannes, der längst schon tot war…
Viel geredet wird nicht gerade in Rodrigo Morenos Langfilmdebüt El Custodio – Der Leibwächter, wie überhaupt nicht viel passiert. Die zähen Zeiten des Wartens, die zum Charakterzug gewordene Unauffälligkeit Rubéns, seine Identitätslosigkeit, all das lässt sich in diesem Film ganz konkret am eigenen Leibe erfahren, was bisweilen ganz schön quält. Wie soll man einem Mann folgen, der nichts spricht, dessen Gesicht keine Regung verrät, der nichts von sich preisgibt? Auch die Kamera bleibt spürbar auf Distanz, lässt den Leibwächter immer wieder verschwinden, rückt ihn seiner Stellung und Funktion entsprechend an den Rand, verliert ihn in der Unschärfe – eine Achtlosigkeit, die bestens zur Programmatik des Filmes passt. Rubén bleibt bis zum bitteren Ende ein Fremder, seine Gefühle, seine Motive, sein Leben bleiben uns genauso fremd wie ihm selbst. El Custodio – Der Leibwächter bewegt sich mit seiner Sprachlosigkeit und dem dumpfen Verrinnen der Zeit auf einem schmalen Grat zwischen nervtötender Langeweile und brillanter Charakterstudie eines zutiefst vereinsamten, absurden Antihelden, wie ihn Albert Camus nicht treffender hätte beschreiben können. Der Knall am Ende ist wie eine Befreiung aus einem Leben, das nichts weniger ist als die Hölle auf Erden.

Selten hat ein zweifelsohne guter Film so gelangweilt wie dieser, bei dem Langeweile und endloses Warten zum endgültigen Prinzip erhoben wurden. Kein Film für die Spätvorstellung und nichts für Menschen, die mit dem Wunsch ins Kino gehen, sich aufheitern zu lassen.

El Custodio – Der Leibwächter

Rubén (Julio Chávez) ist Leibwächter des argentinischen Planungsministers (Osmar Núnez) und als solcher unrettbar dem Tagesablauf seines Dienstherren ausgeliefert.
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Meinungen

· 28.06.2007

ein beeindruckendes und sehr souveränes Regiedebut, hervorragender Hauptdarsteller