Franz + Polina

Eine Filmkritik von Katrin Knauth

Eine Liebesgeschichte im Zweiten Weltkrieg

Ein Feel-Good-Movie ist der Debütfilm des russischen Regisseurs Mikhail Segal nicht gerade. Dementsprechend sollte man sich auf reichlich trostlose Zutaten einlassen: Weißrussische Provinz, Kriegsrealität, feindliche SS-Soldaten, finstere Partisanen, Hunger, Kälte, entsättigte Farben. Inmitten dieser Szenerie verliebt sich der Deutsche Franz (Adrian Topol) in die Weißrussin Polina (Swetlana Iwanowa).

Franz ist ein junger, recht naiver SS-Soldat, der mit seinem Trupp einige Tage in dem weißrussischen Dorf Station macht. In der Ansammlung von alten, maroden Holzhäusern leben meist nur noch alte Mütterchen mit ihren Kindern. Polina und ihre Mutter (Tamara Mironowa) sind zwei davon. In ihrem Haus haben sich Franz und sein Vorgesetzter einquartiert und spielen ein bisschen heile Welt während immer noch der Zweite Weltkrieg tobt. Franz stellt Polina hinterher, miteinander reden können sie nicht, voneinander lassen aber auch nicht.

Die vermeintliche Dorfidylle bricht zusammen, als die SS-Soldaten plötzlich auf die unschuldigen Bewohner schießen und das ganze Dorf auslöschen. Nur Franz weigert sich, abzudrücken und versteckt sich stattdessen mit Polina und ihrer Mutter vor den Übergriffen. Die drei überleben. Geblieben ist ihnen nichts: Haus und Hof in Asche und das mitten im Winter ohne einen Bissen zu essen. Die Mutter zerbricht daran und stirbt. Franz und Polina ziehen weiter.

Was folgt ist eine Tour de Force durch Wald und Steppe, immer auf der Flucht vor deutschen Soldaten oder weißrussischen Partisanen, immer auf der Suche nach Nahrung und Unterschlupf. Das ganze ein schier hoffnungsloses Unterfangen. Wo sollen sie hin, wie lange werden sie durchhalten? Franz + Polina ist ein Drama, das uns nichts erspart und eiskalt im Kinosessel erschaudern lässt. Das Ende ist so bitter und obwohl es sich irgendwie vorhersehen lässt, hofft man bis zum Schluss, dass doch alles anders ausgeht. Aber wir sind hier nicht in Hollywood und das ist vielleicht auch gut so, schmerzhaft ist es schon.

Franz + Polina beruht auf der letzten Novelle „Der Stumme“ des großen weißrussischen Schriftstellers Ales Adamowitch, der 1994 im Alter von 66 Jahren gestorben ist. Der 1974 in Orjol geborene Regisseur des Films Mikhail Segal studierte nach einer Ausbildung zum Theaterregisseur an der Staatlichen Filmhochschule WGIK in Moskau. Nach seinem Abschluss avancierte er zu einem der bekannteste russischen Werbefilmer und Regisseur von Musikvideos. Die schillernde Welt der Werbung bleibt seinem ersten Langspielfilm jedoch absolut fern.

Franz + Polina ist keine leicht verdauliche Kost, bewegt aber mit seiner eindringlichen Geschichte, seiner einfühlsamen Musik und seinen großartigen Darstellern. Auf internationalen Filmfestivals heimste er dafür bislang etliche Preise ein. Umso erstaunlicher ist es, dass dieser eher ungewöhnliche Film erst jetzt seinen Weg auf die deutschen Leinwände findet.
 

Franz + Polina

Ein SS-Soldat, dessen Trupp in einem weißrussischen Dorf stationiert ist, findet großen Gefallen an der hübschen Polina und macht ihr den Hof. Ihr beim Haushalt zu helfen, ist ihm umso willkommener, da er ungestört in ihrer Nähe sein kann.

  • Trailer
  • Bilder

Meinungen

Trinity · 25.04.2010

Verdammt guter Film, so blöd wie es klingt, wenn man die schrecklich schmerzhafte Geschichte berücksichtigt. So "ungespielt" sondern so lebendig. Dabei schaut man es nicht, sondern durchlebt. Schöne Liebesgeschichte auf schrecklichen Leinwand des Krieges.
Das Film hat mir besser gefallen als das Buch. Obwohl das Buch sehr schön ist und obwohl im Buch ein Happy-End gibt.

Der Film ist auf jeden Fall empfehlenswert.

Katrin · 09.12.2009

Nun bin ich schon wieder hier gelandet. Ein schöner Artikel, wenn man in dem Fall von schön sprechen kann-sehr gut und hintergründig. Auf der Suche nach Infos zu "Franz und Polina" ist man vor allem auf den bekannten Seiten auf viel Blödsinn gestossen mit lieblos geschriebenen Artikeln.
Ich habe "Geh und sieh" noch im Kino gesehen. Einfach nur schrecklich. Aber nachhaltig-so einen Film kann man nicht vergessen. LG Katrin

Mirjam · 30.03.2009

Ich habe den Film gerade auf DVD gesehen und war sehr beeindruckt, aber auch schockiert und bedrückt. Ein sehr realistisch inszeniertes Kriegsdrama, das die Greuel des 2. Weltkrieges in Russland zeigt, in der es nicht die "Guten" und die "Bösen" gibt, sondern zeigt, wie die Unmenschlichkeit des Krieges Menschen auf beiden Seiten zu unmenschlichen, hasserfüllten Wesen macht. Daneben bewahren sich jedoch immer auch einige ihre Menschlichkeit, ihr Mitgefühl und ihre Hilfsbereitschaft. Erzählt wird eine traurige, schreckliche Geschichte, die so schrecklich endet, wie sie beginnt! Ein hervorragender Antikriegsfilm, unbedingt sehenswert! Großartige jugendliche Darsteller, die überzeugen; wunderschöne Landschaftsaufnahmen, authentisches Ambiente! Mirjam

bärbel · 30.08.2008

dieser Film hat mich sofort an geh und sieh erinnert