Tödliche Versprechen - Eastern Promises

Eine Filmkritik von Joachim Kurz

David Cronenbergs sehenswertes Gangsterepos

Es beginnt beinahe wie eine düstere Weihnachtsgeschichte, die aus dem historischen Kontext genommen und in unsere heutige chaotische und gewalttätige Welt gepflanzt wurde. Wie brutal diese Welt ist, das macht bereits die Eingangssequenz sehr drastisch deutlich, in der einem Mann die Kehle durchgeschnitten wird – er wird nicht das einzige Opfer bleiben. Doch weil es Winter ist in London, wird natürlich auch ein Kind geboren. Und wie in der Weihnachtsgeschichte so symbolisiert das Kind die Hoffnung der Welt – fast möchte man sagen die einzige Hoffnung. Bezeichnenderweise wird das Mädchen auch später den Namen Christine erhalten. Kurz vor den Feiertagen wird eine hochschwangere, sehr junge Russin namens Tatiana (Sarah Jeanne Labrosse) ins Krankenhaus eingeliefert und stirbt bei der Entbindung von ihrem Kind. Die junge Hebamme Anna (Naomi Watts), die aus der Verbindung eines Russen mit einer Engländerin stammt und vor kurzem erst eine Fehlgeburt erlitten hat, nimmt sich des Säuglings an und versucht herauszufinden, ob es Verwandte des neugeborenen Mädchens gibt. Eine Visitenkarte aus der Handtasche Tatianas – das ebenfalls darin befindliche Tagebuch der jungen Russin kann die Hebamme nicht lesen, es ist auf kyrillisch verfasst – bringt Anna schließlich zum Restaurant des Exil-Russen Semyon (Armin Mueller-Stahl) und seines Sohnes Kirill (Vincent Cassel) sowie zu deren Chauffeur Nikolai (Viggo Mortensen), an dem die junge Hebamme Gefallen findet. Was Anna nicht ahnt: Hinter der freundlichen Fassade verbirgt sich ein Clan der russischen Mafia namens „Vory V Zakone“, der unter anderem junge Frauen aus Osteuropa nach London bringt, um sie dort zu Prostituierten zu machen. Und weil sich im Tagebuch Tatianas Hinweise auf die illegalen Machenschaften des Clans befinden, machen die Gangster bald schon Jagd auf Anna und das Baby. Und auch in den hierarchischen Strukturen von Vory V Zakone bahnen sich Veränderungen an, die ihren Blutzoll fordern…
In seinem neuen Film Tödliche Versprechen – Eastern Promises / Eastern Promises erkundet David Cronenberg abermals die Strukturen der Gewalt und zeigt auf, wie sehr diese längst zum Bestandteil unseres Lebens geworden ist. Zwischen der glitzernden Metropole London und der Parallelwelt der russischen Mafia liegt nur ein Wimpernschlag, eine hauchdünne Schicht, die jederzeit aufbrechen kann, um einen Sturm der Gewalt und Vernichtung hervorbrechen zu lassen.

Bei allen Veränderungen und Transformationen, die der Filmemacher Cronenberg in den letzten Jahren erlebt und geschaffen hat – nach wie vor ist sein Kino besessen von Körpern und Körperlichkeit von freiwilligen Körpermodifikationen und gewalttätiger Penetration von Körpern; sei es nun mit dem Messer, der Tätowiernadel oder dem Penis. In beiden Fällen ist die Absicht dahinter die gleiche — es geht um Aneignung, Inbesitznahme, Macht. Sex und Gewalt — wie so oft liegen sie auch bei diesem Film David Cronenbergs eng beieinander. Von den biologischen Banden erzählen auch die zahlreichen Familienstrukturen, die diesen Film in mannigfacher Form durchziehen. Stets sind diese Strukturen – die doch eigentlich Halt und Schutz geben sollen in einer immer chaotischeren Welt – bedroht, aus der Balance gebracht, gefährdet und müssen deshalb mit aller Macht (und manchmal eben auch Gewalt) aufrecht erhalten werden. Es sind genau diese Subtexte, aus denen Cronenbergs neuster Streich seine Kraft bezieht – oberflächlich betrachtet ist sein Film zwar „nur“ ein Thriller, nebenbei aber erzählt er viel über die Welt und deren Zustand und berichtet von Erfahrungen, die wir alle auf die ein oder andere Weise kennen.

Eines ist sicher: Mit Tödliche Versprechen – Eastern Promises / Eastern Promises findet das Kinojahr einen ebenso schockierenden wie versöhnlichen Ausklang – ein ebenso reduzierter wie kühn konstruierter und kühl gefilmter Thriller, der zeigt, dass Cronenberg nichts von seiner alten Klasse eingebüsst hat. Und wer weiß – vielleicht gelingt es ihm nun sogar noch einmal, neue breitere Zuschauerschichten zu erschließen. Verdient hätte er es allemal. Und dieser knallharte und atemberaubende Film erst recht.

Tödliche Versprechen - Eastern Promises

Es beginnt beinahe wie eine düstere Weihnachtsgeschichte, die aus dem historischen Kontext genommen und in unsere heutige chaotische und gewalttätige Welt gepflanzt wurde.
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Meinungen

Cheops · 09.06.2008

Der Film gestaltet sich etwas zäh, hat Längen und ist stellenweise sogar Langweilig. Viggo Mortensen hat man auch schon besser erlebt, aber wahrscheinlich muss sich jeder beteiligte Schauspieler an seiner Rolle in "Herr der Ringe" messen lassen. Meinen Geschmack hat der Film jedenfalls verfehlt.

Judith · 10.04.2008

Ich habe schon etliche Städte bereist, um diesen faszinierenden Film immer und immer wieder zu sehen und mit jedem Ansehen fallen mir mehr Details auf.
Cronenberg möchte nicht, dass das Publikum aufsteht und schon beim Herausgehen den Film vergessen hat. Er lässt uns nachdenklich zurück.
In diesem Fall denkt man , was Nikolai an der Spitze der Organisation jetzt erreichen kann und dass er einen hohen Preis dafür zahlen muss: Er ist allein und muss auf den kindlich naiven und unbedachten Kyrill aufpassen.
Cronenberg kann mit Gewalt umgehen. Er zeigt sie kurz , direkt und realistisch. Wir können sie nicht verschweigen, es gibt sie. Ein Schwelgen in Gewaltszenen kann man ihm keinesfalls anlasten.
Schockierend finde ich allenfalls die Reaktion des Publikums ( kommt wirklich darauf an, in welchem Kino man sitzt), das sich an der Gewalt aufgeilt und an Stellen, an denen es mir weh tut, lacht und johlt.
In Hamburg, als Cronenberg der Deutschlandpremiere beiwohnte war es friedlich. Aus Dortmund habe ich aus dem großen Kino Übles gehört.

Viggos Mortensen's Leistung ist wahrlich oscarreif. Die deutsche Fassung verliert, weil seine den russischen Dialekt so perfekt sprechende Stimme fehlt.
Von einem scheinbar gefühllosen Ekel verwandelt er sich, mit vielen veränderten, kleinen Gesten und dem Aufblitzen von positiven Gefühlen immer weiter in einen Mann, der mehr und mehr Faszination beim Zuschauer hervorruft.

Ein ausgezeichneter Film und sehr sehenswert.

miggl · 17.01.2008

also ich finde den film sehr gelungen... er lebt finde ich keines wegs von den gewaltszenen... er zeigt natürlich ei bild der gewalt.. dennoch finde ich ist dies notwendig um ein bild des ganzen zu haben... was nunmal da es um ein thema wie diese geht absolut unangebracht wäre .. es gibt einen haufen gealt.. in diesem thema.. dennoch ist es kei actio film mit gewalt non-stop.. oder gar verhärliochung.. es ist einfach ein film wo gewalt nicht ausgeblendet wird zwecks einger bessere freigabe.. mfg miggl

TaTlIkIzZ · 16.01.2008

da will ich auch ma rein...

Elendil · 28.12.2007

Dieser Film ist wahrhaft nix für zartbesaitete Seelchen.
Wer David Cronenbergs bisherige Werke kennt, dem ist bewusst, was auf ihn zukommen kann.
Altersfreigabe ab 16 mehr als fraglich.
Ich hätte die Altersfreigabe weiter nach oben angesetzt, angesichts der Szenen im Edelbordell.

Dennoch es ist faszinierend, wie internationale Schauspieler russisch sprechend agieren.

Viggo Mortensen als Nikolai, zuerst verkannt als "der Mann für´s Grobe"
und Beschützer von Kyrill entpuppt sich als ein ganz anderer.
Dieser Film lebt durch die Intensität von Viggo Mortensen ( Oskarreife Leistung ), Armin Müller-Stahl, Vincent Cassel und nicht zu vergessen Naomi Watts.

Dennoch, wie beim letzten Film von David Cronenberg,
entlässt uns dieser Film wieder mit einem Bild , das im Kopfkino weiter bearbeitet werden muss.

@r-m-r.web.de · 27.12.2007

Sie schreiben "Wer die Strukturen von Gewalt aufzeigen will, der muss mit Gewaltszenen äußerst bedächtig umgehen."

Wer hat das festgelegt? Sie?

r-m-r.web.de · 27.12.2007

Wer die Strukturen von Gewalt aufzeigen will, der muss mit Gewaltszenen äußerst bedächtig umgehen. andernfalls schwelgt er nur darin.
Deshalb zeigt dieser Film keine Strukturen, sondern ist - mal wieder - Gewalt für Gewaltliebhaber hinter dem Deckmäntelchen. dagegen zu sein.