Im Tal von Elah

Eine Filmkritik von Joachim Kurz

Trouble in God’s own country

Dass Amerika sich in den letzten Jahren durch den Irak-Krieg verändert hat, das bekommen nicht nur die Politiker zu spüren, die sich derzeit bei den „Primaries“ um die Unterstützung des Wahlvolks bemühen, sondern immer mehr auch der ganz normale Kinobesucher. Anscheinend möchte Hollywood dieses Mal nicht so lange zögern wie beim Vietnam-Krieg, der solch ein Trauma auslöste, dass die filmische Aufarbeitung erstaunlich lange auf sich warten ließ. Einige Filme sind bereits – mit mäßigen Erfolg – in den Kinos gelaufen wie etwa Robert Redfords eher geschwätziger Von Löwen und Lämmern / Lions for Lambs, andere Starts wie Brian DePalmas Redacted stehen noch bevor. Und nun also auch Paul Haggis. Der gefeierte Drehbuchautor (Million Dollar Baby) und Regisseur (L.A. Crash) widmet sich in seinem neuen Film ebenfalls dem Thema und liefert exakt das ab, was man von ihm erwarten durfte: gemäßigt kritisches und intelligent unterhaltendes Kino mit nachdenklichem Unterton.
Im Tal von Elah / In the Valley of Elah ist ein Film, wie er aufrecht amerikanischer nicht sein könnte. Das zeigt sich bereits im Titel: Im Tal von Elah besiegte der zukünftige israelitische König David den Riesen Goliath mit seiner Steinschleuder, wie das Alte Testament (1. Buch Samuel, Kapitel 17) überliefert. Und das ist nicht der einzige biblische, bzw. christliche Bezug, auf den sich Haggis bezieht, der auch das Drehbuch zum Film verfasst hat. Im Mittelpunkt der Handlung steht das Motiv des verlorenen Sohnes, der von seinem Vater gesucht wird. Hank Deerfield (Tommy Lee Jones) heißt der Mann aus Tennessee, der sich nach einem beunruhigenden Anruf von der Militärbasis Fort Rudd in New Mexico auf den weiten Weg dorthin macht. Der Grund: Sein Sohn Mike (Jonathan Tucker), der gerade von seinem Einsatz im Irak-Krieg in die USA zurückgekehrt ist, ist spurlos verschwunden. Für die Eltern des jungen GIs wiederholt sich damit ein Trauma, vor einigen Jahren kam ihr älterer Sohn David ebenfalls als Soldat bei einem Helikopter-Absturz ums Leben. Mikes Kameraden in Fort Rudd wiegeln das Verschwinden ab, vermuten eine Frau hinter dem kleinen Ausflug und hüllen sich in Schweigen. Doch der Vietnam-Veteran und Soldat im Ruhestand gibt nicht auf und sucht nach Spuren für das, was mit Mike geschehen sein könnte. Mikes Handy mit verschiedenen Aufnahmen und Videos aus dem Irak liefert dabei erste Hinweise. Unterstützung erhält Hank einzig von der Polizistin Emily Sanders (Charlize Theron), die es in den von Männern beherrschten Sphären der Polizei und des Militärs nicht gerade einfach hat. Was das ungleiche Duo im Verlauf der Untersuchungen aufdeckt, wirft ein bezeichnendes Licht auf die scheinbare Ordnung und Disziplin der US-Army: Verbrechen, Drogen, Alkoholismus sind hier an der Tagesordnung. Auch Hanks Sohn ist in diesen Strudel geraten, was ihn schließlich das Leben kostete, so dass der Vater nun zwei Söhne im Krieg verloren hat.

Paul Haggis inszeniert seine Kritik an den Folgen des Irak-Krieges dem ersten Augenschein nach als klassischen Krimi, an dessen Ende die Aufklärung des Mordes an Hank Deerfields Sohn Mike steht. Doch das allein ist einem ausgewiesenen liberalen und für amerikanische Verhältnisse politischen Filmemacher wie Haggis zu wenig. Sein Film ist zugleich auch die Zustandsbeschreibung eines Landes, dem seine moralischen Wertmaßstäbe abahnden gekommen sind, das seine jungen Soldaten ohne ausreichende Vorbereitung in einen brutalen Krieg schickt und sie anschließend mit ihren Problemen schmählich im Stich lässt. Gerade so, als habe man aus dem Vietnam-Fiasko nichts gelernt.

Nicht nur Mikes Einheit, auch die gesamte amerikanische Nation hat mit den Folgen des Krieges zu kämpfen und läuft Gefahr, moralisch abzustumpfen. Dies ist die einfache Botschaft, die man aus Paul Haggis’ Film herauslesen kann, nein herauslesen muss. Leider geht Haggis dabei nicht immer subtil vor: Wenn am Anfang Tommy Lee Jones in seiner Heimatstadt einen Hausmeister böse zusammenfaltet, weil der das Sternenbanner verkehrt herum gehisst hat und – ganz der knurrige alte Haudegen – den Ärmsten darüber belehrt, dass das ein Notsignal sei, dann ahnt der kundige Zuschauer bereits, dass genau das am Ende eine Rolle spielen wird. Ähnlich offensichtlich ist zudem die Titel gebende Sequenz, in der Hank Emilys kleinem Sohn als Gutenachtgeschichte ausgerechnet die Geschichte von David und Goliath vorliest und sich gleich anschließend in der hohen Kunst der Bibelexegese versucht. Da fehlt eigentlich nur noch die patriotisch-kritische Hymne „Born in the USA“ des Rock’n’Roll-Gutmenschen Bruce Springsteen, um jedem klarzumachen, dass in Haggis’ und Deerfields Brust das wahre Herz des aufrichtigen, anständigen und enttäuschten Amerikas schlägt.

Dank sorgsam ausgearbeiteter Charaktere, toller Darsteller (allen voran Tommy Lee Jones) und einer meist zurückhaltenden und souveränen Inszenierung dürfte Haggis den Nerv des breiten Publikums treffen. Den Zeitgeist weiß der Regisseur wie in seinen vorherigen Filmen sowieso auf seiner Seite, da er genau weiß, was er seinem Publikum an Kritik zumuten kann, um als glaubwürdig und patriotisch zugleich zu gelten. Die große Abrechnung mit der Irak-Politik unter George W. Bush ist dieser Film nicht geworden, sondern „nur“ ein weiterer, wenngleich gewichtiger Baustein in der wahrscheinlich noch lange andauernden Auseinandersetzung Hollywoods um die Folgen der militärischen Intervention im Mittleren Osten.

Im Tal von Elah

Dass Amerika sich in den letzten Jahren durch den Irak-Krieg verändert hat, das bekommen nicht nur die Politiker zu spüren, die sich derzeit bei den „Primaries“ um die Unterstützung des Wahlvolks bemühen, sondern immer mehr auch der ganz normale Kinobesucher.
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Meinungen

julia foux · 14.09.2010

Herrn Kurz ist bei seiner oberflächlichen Filmkritik der Kern dieses Films entgangen, obwohl der Titel, wie ein Wink mit dem Zaunpfahl, darauf hinweist.
'Heldenschmiede' sind ja unter anderem gerade Väter, die ihren Söhnen 'David und Goliath' als Gutenachtgeschichte erzählen. Und die unendliche Tragik ist, dass es ungebrochen weitergeht: Der kleine Sohn von Emily träumt von einer eigenen Steinschleuder und glaubt daran, dass man nur seine eigene Angst besiegen muss, um einen weitaus stärkeren Feind besiegen zu können.
Die Zweifel der Mutter an der 'Wahrheit' dieser Legende ändert nichts in der von Männern dominierten Welt.
Der patriotische Traum in einer Endlosschleife... Zurück bleiben völlig aus den Fugen geratene psychische Wracks, die Niemand versteht und denen niemand helfen kann.

hedi rubin · 04.03.2008

ich habe den film gesehen und fand ihn sehr beeindruckend. die geschichte des patriotischen vaters,der den kampfeinsatz seines sohnes im irak unterstuetzt und der totalen ueberforderung seines sohnes, des eigentlich noch ein heranwachsender mannes, kam sehr gut zum ausdruck.
die am ende stehende, zerrissene amerikanische flagge, zeigt auch den aufkommenden zweifel der aelteren patrioten.
empfehlendswert
hedi