Ghosts of Cité Soleil

Eine Filmkritik von Joachim Kurz

Kain und Abel in den Slums von Port-au-Prince

Schon im Vorspann dieses Films wird klar, dass es in Ghosts of Cité Soleil ans Eingemachte geht, immerhin befinden wir uns am laut UN „gefährlichsten Ort der Welt“. Haiti war schon immer ein Land, das selten bis nie zur Ruhe kam. Zwischen 1915 und 1934 von den USA besetzt, wechselten sich in den Jahren seit dem Ende der amerikanischen Okkupation Diktatoren und absolutistische Herrscher wie Francois „Papa Doc“ und sein Sohn Jean-Claude „Baby Doc“ Duvalier sowie Jean-Bertrand Aristide an der Macht ab, und immer wieder kam es zu Interventionen ausländischer Staaten. Mittlerweile gilt Haiti neben anderen Krisenregionen wie dem Kongo oder Somalia als „zerfallener Staat“, die Ordnung kann nur noch mühsam mit Hilfe von 10.000 UN-Blauhelm-Soldaten aufrechterhalten werden. Die Folgen des Jahrzehnte langen Chaos sind enorm: Über 65 Prozent der Gesamtbevölkerung unterhalb der absoluten Armutsgrenze, rund 50 Prozent der Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter sind arbeitslos, die Hälfte der Bevölkerung leidet unter den Folgen von Unterernährung, die Lebenserwartung liegt bei unter 50 Jahren. Besonders deutlich wird die desaströse Lage des Landes in den Elendsvierteln von Port-au-Prince, im Norden der Hauptstadt. Hier in der so genannten „Cité Soleil“ herrschen unfassbare Zustände, bittere Armut und alltägliche Gewalt in einem unvorstellbaren Ausmaß, die Slums sind unter verschiedenen Kriegsfürsten aufgeteilt, die sich bis aufs Blut bekämpfen.
Asger Leth, der Sohn des dänischen Fimemachers Jørgen Leth (The Five Obstructions / De Fem benspænd) zeigt in seinem aufregenden, permanent beunruhigenden Dokumentarfilm Ghosts of Cité Soleil anhand zweier verfeindeter Brüder das Leben im Ghetto von Armut und Gewalt – eine Anklage, die allerdings durch ihre rasante Clip-Ästhetik bisweilen auch irritiert.

Der Film wurde im Jahre 2004 gedreht, kurz bevor Präsident Aristide ins Exil ging, und konzentriert sich auf die beiden Brüder 2Pac und Bily, die – obwohl Brüder – doch erbitterte Konkurrenten sind. Als Führer zweier Gangs in Cité Soleil, die aus Todesschwadronen der Regierung Aristide gegen Oppositionelle – den Chimères – entstanden sind, geraten sie wie viele andere in den entstehenden Strudel von politischem Machtvakuum und einer absoluten Hoffnungslosigkeit. Und als sich dann noch die UN-Blauhelme daran machen, die Gangs zu entwaffnen, kommt es zu einem unglaublichen Massaker in Cité Soleil…

Es ist kein Zufall, dass der ältere der beiden Brüder sich 2Pac nennt, wie der 1996 erschossene Rapper Tupac Shakur und dass Wyclef Jean, der ebenfalls aus Haiti stammt, den Soundtrack zu diesem Film besorgt hat. Denn für viele junge Männer aus Cité Soleil ist Gangsta-Rap die Lebensform, die ihrem eigenen Dasein am nächsten kommt. Und so kokettieren sie mit der Gewalt, mit Waffen und Rhymes, mit dem Tod und der abgezockten Coolness von Rappern – ohne es wahrhaben zu wollen, dass dieses Spiel für sie blutige und einzige Realität ist. Indem Asger Leth die Formen, die harten rhythmischen Schnitte und Bilder von Musikclips imitiert, kommt er dem Denken und Fühlen der Gang-Mitglieder von Cité Soleil sehr nahe, zweifellos werden sich die Überlebenden in dieser Art der Darstellung wieder finden. Die Frage, ob diese Vorgehensweise allerdings nicht den „Lifestyle“ der armen Gangster und damit den Kreislauf aus Armut und Gewalt weiter manifestiert, stellt sich nur in wenigen Momenten. Vielmehr gelingt es Leth, seinen Personen ganz nah zu kommen, so dass diese ein ums andere Mal die Masken der Coolness fallen lassen und dahinter all ihre Angst und Hoffnungslosigkeit zum Vorschein kommt. Trotzdem irritiert und verstört dieser Film aufgrund seiner Gestaltung nachhaltig, doch das dürfte vermutlich durchaus im Sinne des Erfinders liegen: Mögen wir auch diskutieren über die Art und Weise der Darstellung – aus dem Sinn bekommen werden wir die Geschichte der beiden verfeindeten Brüder aus Cité Soleil niemals wieder.

Ghosts of Cité Soleil

Schon im Vorspann dieses Films wird klar, dass es in Ghosts of Cité Soleil ans Eingemachte geht, immerhin befinden wir uns am laut UN „gefährlichsten Ort der Welt“. Haiti war schon immer ein Land, das selten bis nie zur Ruhe kam.
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Meinungen

· 09.10.2008

also ich habe ihn bereitz angeschaut und die aufzeichnungen sind überagent sowie die story selbst würde die doku weiter empfellen

kascperli · 20.04.2008

langweilig und langatmig, idee gut, umsetzung schlecht

jean claude · 27.02.2008

erschreckend! und das nur ein paar meilen von florida entfernt!

· 21.09.2007

Ein Hammerfilm, einfach beeindruckend! Reingehen!!!!