Jellyfish – Vom Meer getragen

Eine Filmkritik von Marie Anderson

Ein Ozean der Melancholie

Es sind die Geschichten dreier Frauen um die 30 im modernen Tel Aviv, die in diesem israelischen Spielfilm erzählt werden und die alle auf ihre Weise eine besondere Verbindung zum Meer aufweisen. Der im Titel auftauchende Jellyfish bezeichnet Quallen, jene seltsamen Tiere, die hauptsächlich aus Wasser bestehen und scheinbar ohne eigene Kontrolle von den Strömungen des Ozeans getragen werden – eine Allegorie auf das unwegsame Schicksal der Protagonistinnen, die darum kämpfen, trotz einiger Widrigkeiten und Attacken aus der Vergangenheit ihr Leben mit all ihren Wünschen und Ängsten eigenmächtig zu gestalten. Jellyfish – Vom Meer getragen / Meduzot vom israelischen Künstlerpaar Shira Geffen und Etgar Keret gewann 2007 beim Filmfestival von Cannes die Caméra d’Or, die für den besten Debütfilm vergeben wird.
Sich am Tag der eigenen Hochzeit ein Bein zu brechen, ist sicherlich dann noch einmal ganz besonders tragisch, wenn das Brautpaar nun auch noch auf die geplante Traumreise in die Karibik verzichten muss. So verbringt die frische Ehefrau Keren (Zharira Charifai) ihre zwangsläufig bewegungsarme Zeit recht unerfreulich in den Hotelzimmern ihrer Heimatstadt Tel Aviv – sicherlich nicht so, wie sie sich ihre Flitterwochen erträumt hatte, doch die Begegnung mit einer mysteriösen und attraktiven Frau führt schließlich zu Einsichten und Wendungen, die sich nachhaltig auf ihre nicht gerade harmonische Beziehung zu ihrem Mann auswirken.

Batya (Sarah Adler) hat als Kellnerin überwiegend bei Festen wie Hochzeiten wahrlich keinen einfachen Job, und zudem setzt ihr schwer erträglicher Boss ihr auch noch permanent mit seinen Schikanen zu. Dass sie kürzlich von ihrem Freund verlassen wurde sowie der desolate Zustand ihrer Wohnung tun ein Übriges dazu, dass Batya absolut deprimiert ist. Dann aber trifft die junge Frau am Strand von Tel Aviv auf ein seltsames kleines Mädchen (Nikol Feidman), um das sie sich zu kümmern beginnt, und damit drängen auch eigene unverarbeitete Kindheitserinnerungen an die Oberfläche.

Joy (Ma-nenita De Latorre) ist Philippinin und arbeitet als Pflegerin für ältere Leute in Tel Aviv, doch im Grunde würde sie lieber mit Kindern arbeiten und sehnt sich heftig danach, in ihre Heimat zurückzukehren, zumal dort ihr kleiner Sohn lebt, den sie schmerzlich vermisst. Trotz ihrer unsäglichen Einsamkeit und nicht seltenen Anfeindungen, die sie ertragen muss, gibt Joy nicht auf und wird für eine Patientin und deren Tochter gar zu einer Vermittlerin, die deren schwierige Beziehung in angenehmere Gewässer zu leiten vermag.

Diese drei lediglich locker miteinander verknüpften Episoden über so unterschiedliche Frauen, die alle in einer sogartigen Melancholie dahintreiben, zeichnen sich vor allem durch ihre durchlässigen Dimensionen zwischen Traum, Imagination und Realität aus, die eine schwer fassbare Welt konstruieren, deren komplexe Zwielichtigkeit auf schlichte, starke Bilder trifft, was dem Film eine symbolträchtige Atmosphäre verleiht, die den Zuschauer auf eine sehr emotionale Art berührt, ohne die gängigen Klischees über das Leben und seine Tiefen wie Untiefen überzustrapazieren.

Die Schauspielerin und Autorin Shira Geffen und der Schriftsteller, Comicautor und Regisseur Etgar Keret, die beide als Paar in Tel Aviv leben und nun bei Jellyfish – Vom Meer getragen / Meduzot zum ersten Mal gemeinsam Regie führten, haben sich bewusst dafür entschieden, die Lebenswirklichkeit ihrer Heimatstadt reduziert und unbeeinträchtigt von den schwierigen sozialpolitischen Umständen abzubilden und den Fokus ganz auf die Menschen, die persönlichen Geschichten ihrer Figuren zu richten. Etgar Keret ist in Israel ein mehrfach ausgezeichneter Bestsellerautor, dessen Bücher wie Gaza Blues, Pizzeria Kamikaze und das neuste Werk Alles Gaza. Geteilte Geschichten (zusammen mit Samir El-youssef) auch in deutscher Übersetzung vorliegen, und seine Kurzfilme haben bereits reichlich Beachtung und auch Auszeichnungen erhalten. Der Film Jellyfish – Vom Meer getragen / Meduzot, der bei uns in den Kinos im Original mit deutschen Untertiteln zu sehen sein wird, wurde übrigens zur selben Zeit fertig gestellt, als der erste Sohn des Paares geboren wurde, so dass dieses Projekt für seine Regisseure auch einen ganz speziellen persönlichen Aspekt hatte, wie Keret in einem Interview angelegentlich bemerkte: „Wir hatten den Eindruck, Zwillinge aufzuziehen!“

Jellyfish – Vom Meer getragen

Es sind die Geschichten dreier Frauen um die 30 im modernen Tel Aviv, die in diesem israelischen Spielfilm erzählt werden und die alle auf ihre Weise eine besondere Verbindung zum Meer aufweisen.
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Meinungen

Matthias · 24.12.2012

Ich habe den Film während des Berliner Literaturfestivals gesehen und war begeistert! Tiefgründiger, interessanter Film, auf jeden Fall einen Besuch im Kino wert.