Das Meer in mir

Mittwoch, 3. Oktober 2007, ARD, 22:45 Uhr

Seit 27 Jahren liegt Ramón Sampedro (Javier Bardem) in einem Bett, vom Hals abwärts gelähmt, bewegungsunfähig und wachen Verstands. Und obwohl es das Meer war, das ihm seine Bewegungsfähigkeit bei einem wagemutigen Sprung ins Wasser raubte, kehrt er doch in seinen Träumen immer wieder ans Meer zurück, sehnt sich nach einer Vereinigung mit ihm und schwelgt in ozeanischen Gefühlen, die Ausdruck seiner Sehnsucht nach Erlösung und einem selbst bestimmten Ende sind. Denn Ramón ist längst des Lebens überdrüssig und wünscht sich nichts sehnlicher als den Tod. Doch dazu benötigt er Hilfe.
Ramón lebt im Haus seines Bruders, umsorgt von seiner Schwägerin Manuela (Mabel Rivera), und umschwärmt von einer ganzen Reihe von Frauen, die er mit seinem Charme und seiner Sanftheit betört hat. Da ist beispielsweise die Rechtsanwältin Julia (Belén Rueda), die ihm dabei helfen will, sein Buch „Cartas desde el infierno“ (Briefe aus der Hölle) zu publizieren, dann Gené (Clara Segura), eine Vertreterin der „Gesellschaft für Würdiges Sterben“, die ihn regelmäßig besucht und unterstützt, und Rosa (Lola Dueñas), eine Fabrikarbeiterin, die in ihm den Mann fürs Leben sieht und die alles dafür tut, dass er wieder Freude an seinem beschränkten und begrenzten Dasein empfindet. Allerdings lässt sich Ramón um keinen Preis der Welt von seinem Entschluss abbringen und notfalls will er sich das Recht darauf vor Gericht erkämpfen. Denn nach der derzeitigen Rechtslage würde jeder, der ihm hilft, seinen Tod herbeizuführen, sich des Mordes schuldig machen – für Ramón ein unerträglicher Gedanke. Ein langer und zäher Streit beginnt, der bald die Aufmerksamkeit der gesamten spanischen Öffentlichkeit auf sich zieht.

Selten hat ein Film in Spanien so heftige Diskussionen ausgelöst wie Das Meer in mir / Mar Adentro, der innerhalb von vier Monaten vier Millionen Zuschauer in die einheimischen Kinos zog, Zahlen, von denen der spanische Film trotz Almodovár sonst nur träumen kann. Und nach 14 Goyas im eigenen Land sorgte Das Meer in mir / Mar Adentro nun auch international für Furore. Nachdem Javier Bardem bereits im letzten Jahr in Venedig für seine eindrucksvolle Darstellung des Ramón Sampredo mit dem Darstellerpreis ausgezeichnet wurde, erhielt er auch beim Europäischen Filmpreis einen Preis als bester Schauspieler. Außerdem wurde der Film im Jahre 2005 mit dem Academy Award für den besten fremdsprachigen Film bedacht und errang in der gleichen Kategorie einen Golden Globe.

Tatsächlich besticht Das Meer in mir / Mar Adentro durch eine weitgehend kitschfreie Behandlung des heiklen Themas – man stelle sich vor, was Hollywood aus solch einem Stoff gemacht hätte, falls dort überhaupt jemand diesen Wagemut aufgebracht hätte – und durch einen beeindruckenden Javier Bardem. Doch bei aller berechtigten Begeisterung für Das Meer in mir / Mar Adentro sollten die Zuschauer keinesfalls dem Trugschluss erliegen, hier das Thema Sterbehilfe mit all seinen moralischen Implikationen und ethischen Fußangeln in ausreichender Breite dargestellt zu finden. Denn hier ist es der Kranke selbst, der die Entscheidung über Leben oder Tod trifft. In vielen anderen Fällen ist eben genau diese Entscheidungsmöglichkeit nicht mehr gegeben. Der Film schildert lediglich einen Fall, ein konkretes Beispiel und sollte deshalb nicht als generelles Eintreten für die Sterbehilfe gewertet werden. Ein Umstand, auf den auch die Deutsche Hospiz Stiftung DHS verweist, die dem Film vorwirft, er gehe an der Realität des Sterbens vorbei: „Wer so gut versorgt wird, wie der Seemann Ramón in dem Film, will nicht sterben. Euthanasie fordern Menschen ein, die keine professionelle umfassende Begleitung bekommen“, sagt Eugen Brysch, Geschäftsführender Vorstand der Stiftung und sieht in Das Meer in mir / Mar Adentro eine „unrealistische Propaganda pro Euthanasie.“

Dazu kann man stehen wie man will, doch gerade wegen der zwiespältigen Reaktionen, die er hervorruft, ist Das Meer in mir / Mar Adentro ein wichtiger und engagierter Beitrag zu einem gesellschaftlichen Reizthema. Eine Meinung pro oder contra muss sich sowieso jeder selbst bilden. Wer den Film im Kino verpasst hat, hat nun Gelegenheit, das Versäumte nachzuholen – eine Chance, die man sich nicht entgehen lassen sollte.

Das Meer in mir

Seit 27 Jahren liegt Ramón Sampedro (Javier Bardem) in einem Bett, vom Hals abwärts gelähmt, bewegungsunfähig und wachen Verstands.
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