Ich habe Euch nicht vergessen - Simon Wiesenthals Leben und Vermächtnis

Eine Filmkritik von Eva Maria Schlosser

Mit den Generationen sterben Erinnerungen aus. Vergangenheit wird Geschichte. Und die wirkt selten in Geschichtsbüchern lebendig, selten so, dass wenn nicht Identifikation doch Empathie bei den Lesern entstehen könnte. Besser schon schafft es die Filmindustrie, Interesse für eine bestimmte Zeit zu wecken. Das gilt auch für die Zeit des zweiten Weltkriegs und den Holocaust. Hollywood hat mit Schindler’s Liste von Steven Spielberg oder Der Pianist von Roman Polanski Millionen von Zuschauern ins Kino gelockt. Wenn auch pathetisch, in leinwandtauglichen, verdaulichen Häppchen serviert, tragen die Filme dazu bei, dass dieser Teil der Geschichte auch jüngeren Generationen nahe gebracht wird. Noch gibt es Zeitzeugen, und manche sind bewundernswert unermüdlich dabei, aufzuklären, zu erzählen, zu erinnern. Der im Jahr 2005 gestorbene Simon Wiesenthal war so einer. Nicht nur ein Aufklärer, sondern auch einer, der Gerechtigkeit suchte. Als „Nazi-Jäger“ wurde er oft bezeichnet, als „unbequemer Zeitgenosse“ oder „obsessiver Wahrheitssucher“. Berühmt wurde er als der Mann, der Adolf Eichmann in seinem Exil in Argentinien aufspürte. Seine beharrlichen Recherchen führten zur Verhaftung und Verurteilung von über 1000 Nazi-Verbrechern. Selbst überlebte der weltoffene jüdische Architekt aus der Ukraine eine Odyssee durch mehrere Konzentrationslager bis nach Mauthausen, wo er schließlich 1945 von den Amerikanern befreit wurde. Gleich nach seiner Befreiung fertigte er Listen mit KZ-Aufsehern und Verantwortlichen an. 1947 gründete er in Linz das erste Jüdische Dokumentationszentrum. Trotz großer Anfeindungen nicht nur seitens rechtsradikaler Lager, sondern auch aus jüdischen Kreisen, trotz großer privater Opfer kämpfte er unbeirrt sein ganzes Leben darum, dass den Opfern des Holocaust Gerechtigkeit widerfährt und die Verantwortlichen zur Rechenschaft gezogen werden. Er erinnerte nicht nur an die ermordeten Juden, sondern auch an die Sinti und Roma, die Homosexuellen, Politischen und all die anderen, die ihren Tod in den Vernichtungslagern fanden. Dass dieser Mann sich für ein Filmporträt eignet, liegt auf der Hand. Dass dies kein leichtes Unterfangen ist ebenfalls. Doch Rabbi Marvin Hier und Richard Trank, die unter dem Filmproduktionslabel des Simon-Wiesenthal-Zentrums Moriah Films zusammen bereits für mehrere Dokumentarfilme wie auch den mit einem Oscar ausgezeichneten The Long Way Home (1997) verantwortlich zeichnen, haben diese schwierige Aufgabe meisterhaft absolviert und ein sehr bewegendes Porträt geschaffen.
Regisseur Richard Trank verwebt geschickt aktuelle Aufnahmen an den für Wiesenthal wichtigen Schauplätze wie Österreich, England, Deutschland, Ukraine oder die USA mit Interviews, die mit Wiesenthal geführt wurden, mit Ausschnitten aus Nachrichten, Shows und Reportagen der vergangenen Jahrzehnte, die Wiesenthal auf seinem schwierigen Weg der Spurensuche zeigen und mit bislang unveröffentlichten Archivmaterial. Er interviewt Zeitzeugen und Weggenossen wie auch Wiesenthals Tochter Pauline, die erstmals öffentlich über ihren Vater und die fast 70 Jahre währende Beziehung ihrer Eltern spricht. So fügen sich die persönlichen Geschichten zur universalen Geschichte, die nicht nur für den Schulunterricht, sondern eben auch für die große Leinwand taugt, untermalt von der berauschend schönen, melancholischen Musik des renommierten und preisbewehrten Komponisten Lee Holdridge. Bei einer Filmvorführung vorab in den USA war die anwesende Nicole Kidman so bewegt, dass sie sich spontan dazu bereit erklärte, die Erzählerstimme zu geben. Im deutschen ist Iris Berben das würdige Pendant. So haben die Filmemacher ein rundes und erstaunlich spannungsreiches Gesamtkunstwerk geschaffen, das den Menschen Wiesenthal und seine charakterstarke Persönlichkeit in den Mittelpunkt stellt, ihn auch in seinen schwersten Stunden und Krisen zeigt. Ein großartiger Film über einen tapferen Menschen, der schier Unmögliches geleistet hat.

Ich habe Euch nicht vergessen - Simon Wiesenthals Leben und Vermächtnis

Mit den Generationen sterben Erinnerungen aus. Vergangenheit wird Geschichte.
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Meinungen

Rache Ammon · 07.11.2007

sehr sehenswert!
ein wichtiges dokument der zeitgeschichte,die grosse persönlichkeit Simon Wiesenthals auch in seiner Menschlichkeit gesehen. Ein sehr berührender Film!

· 01.11.2007

Weiter so.
Mehr solcher Filme, damit so etwas nicht nochmal geschieht...