The Eye

Eine Filmkritik von Florian Koch

Alles nur geklaut

Hollywoods Remake-Zwang macht auch im asiatischen Raum vor nichts mehr halt. Erst plünderte man eifrig in Japan die Ringu  — und Ju-On: The Grudge –Reihe, schließlich folgte Thailand mit Shutter; in Südkorea wurde man bei A tale of two sisters (unbenannt in The Uninvented, Start verschoben auf Januar 2009) fündig und zu guter Letzt drehte man Hongkongs The Eye durch den Remake-Wolf. Als neutraler Beobachter kommt einem das vor wie bei der Schnäppchenjagd im Schlussverkauf. Das Produkt wird gar nicht genau betrachtet, Hauptsache billig, möglichst profitabel und jeder will der erste sein.
The Eye beinhaltet alle fatalen Ingredienzien, die dieser dreiste Ideenklau zur Folge hat. Gin gwai , das atmosphärische, stilistisch beeindruckende Original aus dem Jahre 2002 inszenierten die Brüder Danny und Oxide Pang. Kultstatus erlangten die Formalisten mit dem packenden Auftragskillerfilm Bangkok Dangerous (1999), den sie – Ironie des Remakewahnsinns — gerade in Hollywood mit Nicolas Cage in der Hauptrolle wiederaufleben lassen. Mit Gin gwai orientierten sie sich klar an M. Night Shyamalans Geisterhit The Sixth Sense, konzentrierten sich aber auf die anfangs blinde, weibliche Hauptfigur und machten die Tücken des wieder „Sehen-lernens“ und die gleichzeitige Hinterfragung dieses „wahrhaftigen“ Sinnesorgans zu ihrem Hauptthema. Im asiatischen Raum wurde der Geister-Thriller zu einem mehrfach prämierten Überraschungserfolg, in Deutschland erschien er, nachdem Gin gwai als Abschlussfilm auf dem Fantasy Filmfest gefeiert wurde, wie üblich erst mit zweijähriger Verspätung auf DVD. Die mäßigen Fortsetzungen, die die Pang-Brothers danach ablieferten sind bei uns z. T. noch gar nicht erhältlich. Das Remake, das jetzt in den Kinos spukt besitzt lediglich für Leute ohne Kenntnis des Originals einen akzeptablen Unterhaltungswert, denn die französischen Jungfilmer David Moreau und Xavier Palud, die in der US-Version auf den Regiestühlen Platz nahmen, bedienten sich lediglich inspirationslos beim Original. Nichts ist zu sehen von der kompromisslosen Rasanz und Härte, die sie ihrem Regiedebüt „Them“ einhauchten. Der Tonfall bleibt bei The Eye ruhig und nahezu aseptisch gewaltfrei, um das in den USA kommerziell freundliche PG-13 Rating zu bekommen.

Im Zentrum von The Eye steht die Violinistin Sydney Wells (Jessica Alba), die als Fünfjährige bei einem Unfall erblindete. In ihrem Alltag kommt Sydney mit ihrer Behinderung eigentlich bestens zurecht; doch auf Druck ihrer Schwester Helen (Parker Posey) willigt sie in eine komplizierte Hornhauttransplantation ein, die ihr das Augenlicht wieder schenken soll. Die OP verläuft nach Plan, doch Sydney ist anschließend mit der für sie neuen visuellen Reizüberflutung völlig überfordert und verunsichert. Ihr Betreuer, der Psychologe Dr. Paul Faulkner (Alessandro Nivola) hält dieses Verhalten in der Eingewöhnungsphase für völlig normal. Doch nach kurzer Zeit sieht Sydney merkwürdige Schatten, die sich später bei wiederkehrender Sehschärfe als Geister erweisen. Doch niemand will ihren übernatürlichen Begegnungen Glauben schenken. Verzweifelt versucht Sydney hinter das Geheimnis dieser unerklärlichen Phänomene zu kommen, denn sie ist sich sicher, dass die Geister ihr etwas mitteilen wollen. Gemeinsam mit dem überaus skeptischen Dr. Faulkner macht sie sich auf die Suche nach ihrer Augenspenderin – ohne zu wissen, in was für eine Gefahr sie sich begibt.

Bereits die erste halbe Stunde macht klar, woran das Remake sich trotz identischer Geschichte eklatant vom Original unterscheidet. Man lässt sich keine Zeit für Reflektionen oder tiefer gehende Charakterisierungen der Figuren. Nie kann man der Hollywood-Schönheit Jessica Alba Glauben schenken, dass sie im Konzertsaal als Geigen-Virtuosin auftritt; jede dieser Expositions-Szenen wird nur kurz angerissen, als hätten die französischen Regisseure eigentlich gar kein Interesse an Albas Figur. Viel mehr weiden sie sich an ausgelutschten, genreüblichen Albtraum-Sequenzen, Klischee-Schocks auf der Tonspur und ästhetischen Kamera-Fahrten durch Hotel-Flure. Auch muss die verloren wirkende, in ihrem Spiel monoton auf gepeinigtes Reh gepolte Alba all ihre Gefühle aussprechen, so dass der Zuschauer ja nicht auf eigene Gedanken kommt. Neben verzeihbaren Logiksprüngen kommt erst im hochexplosiven Mexiko-Showdown ein Hauch von Spannung auf. Doch dann ist es eigentlich schon zu spät. Renée Zellweger wird sich freuen, denn sie war eigentlich für die Hauptrolle vorgesehen, doch sprang wohl gerade noch rechtzeitig ab.

The Eye

Hollywoods Remake-Zwang macht auch im asiatischen Raum vor nichts mehr halt. Erst plünderte man eifrig in Japan die Ringu- und Ju-On: The Grudge–Reihe, schließlich folgte Thailand mit Shutter; in Südkorea wurde man bei A tale of two sisters (unbenannt in The Uninvented, Start verschoben auf Januar 2009) fündig und zu guter Letzt drehte man Hongkongs The Eye durch den Remake-Wolf.
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Meinungen

lion dück · 05.04.2011

ich mag den film 2x mehr alls die anderen

Jenny · 13.06.2008

Danke für diese gute Kritik! Ich hätte heulen können, als ich vor ein paar tagen das remake gesehen habe. Ich hab vor ca 2 jahren das original gesehen, und war absolut begeistert. Es ist so arm, dass der Film irgendwie in sehr vielen Szenen wirklich 1 zu 1 geklaut wurde (ganz schlimm bei der fahrstuhlszene!). Ich mag Jessica Alba als Schauspielerin eigentlich recht gerne, aber ihr ist meiner meinung nach, das gleiche schicksal wiederfahren, wie Sarah Michele Gellar in The Grudge... Beide sind mit den Rollen überfordert und werden von ihren asiatischen gegenstücken in grund und boden gespielt. das remake kann dem original nicht im geringsten das wasser reichen, und ich finde es schade, dass nicht mal die originale bei uns im kino laufen können... ich sehe mit grauen in die zukunft was "a tale of two sisters" oder jetzt für hollywood "the uninvited" angeht.. das kann ja nur in die hose gehen.