Three Burials - Die drei Begräbnisse des Melquiades Estrada

Eine Filmkritik von Joachim Kurz

Ein beinahe übersehenes Meisterwerk

Wenn der Debütspielfilm eines gestandenen Hollywood-Schauspielers wie Tommy Lee Jones bei den Filmfestspielen von Cannes für weltweite Furore sorgt, sollte man meinen, dass sich die Verleiher darum reißen, diesen Film in die deutschen Kinos zu bringen. Im Falle von Three Burials — Die drei Begräbnisse des Melquiades Estrada / The Three Burials of Melquiades Estrada allerdings scheinen die üblichen Mechanismen des Verleihmarktes grundlegend versagt zu haben, denn der hoch gelobte Film erlebt seinen Filmstart mit zweijähriger Verspätung bei einem sehr kleinen Verleih und startet auf den Leinwänden gerade mal einen Monat vor Veröffentlichung der DVD – eine mehr als ungünstige Ausgangssituation für einen Film, der Besseres verdient gehabt hätte.
Der Film erzählt die bewegende Geschichte der Freundschaft zwischen dem Cowboy Pete Perkins (Tommy Lee Jones) und dem illegalen Einwanderer Melquiades Estrada (Julio César Cedillo) im Grenzgebiet zwischen West Texas und Mexiko – eine Freundschaft über die Grenzen von Nation, Kultur und den Tod hinweg. Als Estrada von dem Grenzpolizisten Mike Norton (Barry Pepper) erschossen und in der Wüste notdürftig bestattet wird, kümmert sich die örtliche Polizei kaum um die Aufklärung des Verbrechens – das Opfer war ja „nur“ ein weiterer illegaler Einwanderer. Die von Koyoten ausgebuddelte Leiche wird in einem Armengrab beerdigt, der Mörder kann sich in Sicherheit wähnen. Doch Pete, der mit dem Rancharbeiter befreundet war und ihm versprach, seinen Körper im Falle eines Unglücks in dessen mexikanische Heimat zu bringen, gelingt es, den Schuldigen zu überführen. Gemeinsam mit diesem, den er kurzerhand kidnappt, und der Leiche seines Freundes, die er mit Frostschutzmittel provisorisch konserviert, macht sich Pete auf den beschwerlichen Weg gen Süden, um Melquiades Estrada in seiner Heimat ein drittes Mal bestatten zu können. Währenddessen heftet sich die Grenzpolizei auf die Spuren des merkwürdigen Trios…

Three Burials — Die drei Begräbnisse des Melquiades Estrada / The Three Burials of Melquiades Estrada ist ein rundherum perfekter Film – angefangen vom Drehbuch Guillermo Arriagas (Babel, 21 Gramm) über die atemberaubend schönen Landschaftsaufnahmen von Chris Menges bis hin zur Regie von Tommy Lee Jones und den Schauspielleistungen – hier stimmt einfach alles. Im Gewand eines modernen Westerns entwirft Tommy Lee Jones hier ein Opus über Freundschaft, Pflicht und ein Zusammenleben verschiedener Kulturen, das zutiefst menschlich ist und überall auf der Welt verstanden wird. Der Film ist eine Parabel über all das Trennende und Verbindende und ein glühender Appell für mehr Mitmenschlichkeit – eingebettet in eine simple, aber wirkungsvolle Geschichte und von grandiosen Bildern unterstützt.

Dass dieser Film seinen halbgaren Kinostart dann doch noch mit gehöriger Verspätung erlebt, bevor Tommy Lee Jones’ Regiedebüt am 6. Dezember auf DVD erscheint, ist kaum zu glauben und lässt einen ernsthaft an den Chancen für intelligent inszeniertes, gut gespieltes und politisch engagiertes Kino zweifeln. Vor dem Hintergrund, dass sich in Deutschland Kinostart an Kinostart reiht und ramschige Dutzendware, fürs Fernsehen produzierte Dokumentationen und jeder verfilmte Debütpups eines Filmhochschulabsolventen um die Gunst der Zuschauer konkurrieren, macht wieder einmal deutlich, dass es nicht nur zu viele Neustarts auf deutschen Leinwänden gibt, sondern dass vor allem mit schöner Regelmäßigkeit echte Perlen des Kinos wie diese nahezu unbemerkt auf dem DVD-Markt verschwinden oder in verschwindend geringer Kopienzahl laufen. Solange über diesen eklatanten Missstand nicht nachgedacht und entsprechend gegengesteuert wird, wird sich an der Misere der Programmkinos kaum etwas ändern.

Auch wenn der DVD-Start schon bald ansteht, sollte man gerade diesen Film – nicht nur wegen seiner grandiosen Landschaftsaufnahmen – unbedingt auf der großen Leinwand sehen.

Three Burials - Die drei Begräbnisse des Melquiades Estrada

Wenn der Debütspielfilm eines gestandenen Hollywood-Schauspielers wie Tommy Lee Jones bei den Filmfestspielen von Cannes für weltweite Furore sorgt, sollte man meinen, dass sich die Verleiher darum reißen, diesen Film in die deutschen Kinos zu bringen.
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Meinungen

Martin Zopick · 03.06.2023

Tommy Lee Jones (Hauptdarsteller und Regisseur) überzeugt sowohl vor der Kamera als auch dahinter. Es ist ihm ein ganz ungewöhnlicher Spätwestern gelungen: die Story mit dem Leichentransport eines Freundes unter tätiger Mithilfe seines Mörders Mike (eindrucksvoll Barry Pepper) in sein Heimatdorf Jiménes ist das eine, das andere ist hierbei die gekonnte Erzählweise dieser wahren Geschichte. Spannend, stimmungsvoll und atmosphärisch dicht. Die drei Begräbnisse sind streng formal gegliedert; quasi Kapitelüberschriften. Sie werden fast zur Nebensache, da sie jeweils mit einem Mord einhergehen. Mit viel Liebe zum Detail achtet Jones auf Kleinigkeiten und so gelingt ihm ein komplexes und äußerst subtiles Stimmungsbild der Grenzstadt zu Mexiko. Hier schleichen Langeweile und latente Geilheit um die Ecken der Wohnwagen. Wer kann, will bloß weg, wie z.B. Lou Ann (January Jones), Mikes Ehefrau. Das Verhältnis zwischen Grenzern und Mexikanern wird kritisch beleuchtet. Ein zweites Zusammentreffen kann dann sogar lustig sein. Als wir erfahren, dass Jiménes nicht existiert und Mel auch keine Frau hat, wird die Handlung zur Parabel über Freundschaft und das Einhalten eines Versprechens. Es geht um Vergebung und Sühne. Das sind hehre Werte, die, wenn sie so verpackt sind, der Spannung keinen Abbruch tun. Gelungen!