WWW - What a Wonderful World

Eine Filmkritik von Joachim Kurz

Über den Dächern von Casablanca

Casablanca – welcher Filmfan denkt bei dieser Stadt nicht zuerst an Michael Curtiz’ unsterbliches gleichnamiges Epos, in dem Humphrey Bogart als Café-Besitzer Rick Blaine um die Liebe seiner ehemaligen Geliebten Ilsa Lund kämpft? Der marokkanische Regisseur Faouzi Bensaïdi schert sich in seinem Film WWW — What a Wonderful World einen Teufel um das berühmte Vorbild und verpasst der nordafrikanischen Metropole ein derart aufregendes Update, dass man an manchen Stellen seinen Augen kaum zu trauen glaubt.
Kenza (Neza Rahil) ist Verkehrspolizistin in Casablanca und eine wahre Virtuosin ihres Fachs: Mit einfachen Handbewegungen, Pfiffen aus der Trillerpfeife und gestrengem Blick weiß sie das alltägliche Verkehrschaos der hektischen marokkanischen Metropole zu bändigen und wie ein Ballett zu choreographieren, dass es eine Augenweide ist. Neben diesem Job geht Kenza noch einer Beschäftigung nach: Sie verleiht ihr Handy an all jene, die erreichbar sein müssen, sich selbst aber kein Telefon leisten können. Eine ihrer Kundinnnen ist Souad (Fatima Attif), die als Putzfrau und Gelegenheitsprostituierte arbeitet. Als diese eines Tages von Kamel (Faouzi Bensaïdi) auf dem Handy angerufen wird, ist Kenza, die eigentliche Besitzerin des Telefons, am Apparat. Sofort springt der Funke über, der Anrufer ist gebannt von der neuen Stimme, und auch die Polizistin bekommt den Anrufer nicht mehr aus dem Kopf. Was sie freilich nicht weiß – Kamel ist ein eiskalter Profikiller, der hoch über den Dächern von Casablanca lebt und seine Aufträge via Internet erhält. Der Letzte im Bunde ist der junge Hicham (Hajar Masdouki), der von einem Leben in Europa träumt, dem vermeintlichen Paradies. In seiner Freizeit hackt sich Hicham ins Internet ein, und als er per Zufall auf Kamels Account stößt und diesen knackt, beginnt eine wilde Jagd, bei der sich selbst Liebende nicht mehr sicher sein können, wer ihnen da gegenübersteht…

WWW — What a Wonderful World ist ein modernes Kinomärchen, das alle Genregrenzen sprengt und zwischen Thriller, Liebesfilm und Musical leichtfüßig wechselt. Ideenreich und voller Anspielungen auf Filme wie die Werke eines Jacques Tati, Jim Jarmuschs Ghost Dog, Jean-Jacques Beineix’ Diva und zahlreichen anderen Vorbildern kreiert der 40-jährige Regisseur und Hauptdarsteller Faouzi Bensaïdi in seinem zweiten Film einen knallbunten Cocktail, der ob seiner Vielfalt begeistert, zumal stets eine neue Bildidee oder eine unerwartete Wendung auf den Zuschauer warten. Einziges Manko dieses gelungen Kinoabenteurers: Manchmal ist man so fasziniert von den Einschüben, Abschweifungen und gestalterischen Elementen und deren virtuoser Kombination, dass die eigentliche Handlung und die Figuren beinahe in Vergessenheit geraten. Trotzdem: Wer das Kino in all seiner Vielfalt mag, für den wird WWW — What a Wonderful World ein echtes Überraschungspaket sein.

WWW - What a Wonderful World

Casablanca – welcher Filmfan denkt bei dieser Stadt nicht zuerst an Michael Curtiz’ unsterbliches gleichnamiges Epos, in dem Humphrey Bogart als Café-Besitzer Rick Blaine um die Liebe seiner ehemaligen Geliebten Ilsa Lund kämpft?
  • Trailer
  • Bilder

Meinungen