Wut

Eine Filmkritik von Joachim Kurz

Freitag, 1. Februar 2008, ARTE, 21:00 Uhr

Selten hat ein Fernsehfilm abseits der großen Event-Movies in den letzten Jahren so großes Aufsehen erregt wie Züli Aladags TV-Drama Wut. Und selbst einige Zeit nach der Erstausstrahlung – die aktuellen politischen Diskussionen beweisen es – ist der Stoff an Brisanz und Aktualität kaum zu überbieten.
Im Mittelpunkt des Films steht eine gutbürgerliche, linksliberal geprägte Familie: Simon Laub (August Zirner) ist 45 Jahre alt und arbeitet als äußerst beliebter Professor für Literatur an der Universität. Seine Frau Christa (Corinna Harfouch) ist Immobilienmaklerin, sein 14-jähriger Sohn Felix (Robert Höller) ein Überflieger an der Schule, der bereits zwei Klassen übersprungen hat – eine perfekte Familie. Dass Felix Probleme hat, offenbart sich erst, als er eines Tages ohne seine neuen Schuhe nach Hause kommt. Auf Insistieren seines Vaters gesteht der Junge ein, von Can (Oktay Özdemir), einem türkischstämmigen Jugendlichen aus dem Bekanntenkreis „abgezogen“ worden zu sein. Erzürnt nimmt Simon die Sache in die Hand und regelt die Angelegenheit mit Cans Vater, wodurch dessen Sohn sich bloßgestellt fühlt. Can reagiert gereizt, sinnt auf Rache für die erlittene Kränkung und beginnt Simon immer mehr zu bedrängen, bis dieser sich nicht mehr anders zu helfen weiß, als gedungene Schläger auf seinen Peiniger anzusetzen. Die Situation eskaliert immer mehr und endet schließlich in einer Katastrophe…

Ursprünglich für die Prime Time vorgesehen, wurde die Erstausstrahlung des Films am 29. September 2006 auf Beschluss der ARD-Intendanten wegen expliziter Gewaltdarstellung auf 22 Uhr verschoben. Trotzdem erreichte Wut mehr als 2,5 Mio. Zuschauer und löste ein ebenso breites wie kontrovers geführtes Medienecho aus. Obwohl Züli Aladag und sein Drehbuchautor Max Eipp klar machten, dass es sich bei der Handlung um reine Fiktion handele, die keinerlei Anspruch erhob repräsentativ zu sein. Trotzdem schlugen die Wellen der Empörung hoch, dem Film wurde vorgeworfen, mit dem Feuer zu spielen und zumindest fahrlässig mit dem schwierigen Thema umzugehen. Andere Stimmen lobten den Film dafür, dass er sich kaum um Tabus schere, sondern den Zuschauer dazu zwinge, am Ende Position zu beziehen und seine eigenen Vorurteile zu überdenken. Wut erhielt zahlreiche nationale und internationale Auszeichnungen, u.a. den Adolf-Grimme-Preis 2007, eine Goldene Kamera in der Kategorie „Bester Film“ und andere Ehrungen. Ein von Anfang bis Ende hoch spannendes, gesellschaftlich brisantes TV-Drama der Extraklasse, das man nicht versäumen sollte.

Wut

Selten hat ein Fernsehfilm abseits der großen Event-Movies in den letzten Jahren so großes Aufsehen erregt wie Züli Aladags TV-Drama Wut.
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Meinungen

Benjamin · 11.10.2022

Wurde als Fiktion gedreht, aber die tatsächliche Realität wird gezeigt.
Tatsachenbericht!

Julien · 25.06.2008

Wut ist ein wirklich ungeheuerlicher Film. Er ist radikal, politisch nicht zu akzeptieren, hart, realistisch und provozierend. Aber das macht den Film auch so sensationell gut. Er packt einen und lässt einen über Dinge wie Migration, Rassismus und Jugendgewalt nachdenken und aus anderen Aspekten betrachten, was ich äußerst interessant und auch wichtig finde, für migrantes Zusammenleben, das ich persönlich sehr unterstütze. Die Schauspieler sind sehr gut, allen voran natürlich Oktay Özdemir als Can, allerdings spielt auch Corinna Harfouch wieder mit einem unglaublichen Facettenreichtum, sodass ihre Szenen wahre Lichtblicke sind. Fazit: Einer der besten deutschen Fernsehfilme aller Zeiten (der durch die Feigheit der Kitsch-ARD dort erst um 22.15 Uhr gezeigt wurde = peinlich...)!!!

Urbin · 13.02.2008

Ich habe den Film in "ARTE" Anfang Februar 2 x gesehen. Und bin seitdem in meinem eigenen "KULTUR- & WELT-VERSTÄNDNIS" heillos & hilflos zerrissen & ratlos: ich kann mich in jede der Hauptpersonen versetzen - und mich zerreißt meine ohnmächtige Unwissenheit: "Wer hat angefangen? Ich - oder ich?"
Sorry! Aber unter diesem Aspekt erscheint mir Eure Diskussion zum Heulen lächerlich , banal. Der Teufel steckt in mir!: das jedenfalls habe ich von den beiden Film-Nächten mit in meine Träume und in die nächsten Tage mitgenommen - und habe noch immer keine Ruhe vor mir gefunden!