Factory Girl

Eine Filmkritik von Paul Collmar

Edie Sedgwick Superstar

Unter den zahlreichen Stars und Sternchen von Andy Warhols Kunstfabrik Factory ist Edie Sedgwick die wohl bekannteste. Und das liegt nicht nur an der Herkunft aus bestem Hause, sondern auch an Sedgwicks tragischem Lebensweg, der das Auf und Ab und die Exzesse der narzisstischen Kunstszene der Sechziger am besten widerspiegelt. Trotz der beiden Darsteller Sienna Miller (Edie Sedgwick) und Guy Pearce (Andy Warhol), die sich sichtlich Mühe geben, die historischen Persönlichkeiten zumindest äußerlich wiederauferstehen zu lassen, bleibt das Biopic über das kurze und aufregende Leben von Warhols Muse seltsam uninspiriert und farblos.
Edith „Edie” Minturn Sedgwick stammte aus einer angesehenen Familie – ihr Großvater fungierte von 1909 bis 1938 als Herausgeber des berühmten Literatur-Magazins „The Atlantic Monthly“ —  und war das siebte von acht Kindern. Doch die Familie war nicht nur enorm reich und sehr angesehen, sondern auch ziemlich kaputt: Zwei ihrer drei Brüder landeten in einer Nervenheilanstalt, einer beging Selbstmord, der zweite starb bei einem Motorradunfall. Als Kind wurde Edith sowohl von ihrem Vater wie auch von einem ihrer Brüder missbraucht und landete ebenfalls in der Psychiatrie. Nach dem Besuch der Kunstakademie, den sie nach einem Jahr abbrach, siedelte die eloquente und schöne junge Frau nach Manhattan um, wo sie bald als Party Girl die Clubs der Stadt eroberte und in den Bannkreis von Andy Warhols Factory geriet. Der Popkünstler erkannte schnell das Charisma von Sedgwick und deren psychische Labilität und formte sie zu einem Alter Ego seiner eigenen Persönlichkeit – ohne sich auch nur ansatzweise dafür zu interessieren, wer Edie wirklich war und welche Geschichte sich hinter ihrem Wesen verbarg. Zumal die Kontakte Edies zur High Society für den aufstrebenden Künstler ebenfalls von Interesse waren.

Der plötzliche Ruhm und der jähe Liebesentzug durch Warhol bekam Edie nicht, immer mehr verstrickte sie sich in den verhängnisvollen Kreislauf aus Drogensucht, Essstörungen und Alkohol-Exzessen, bis die bereits in ihrer Jugend psychisch auffällige Frau kaum noch wusste, wer sie wirklich war. Als sie sich in einen legendären Musiker (Hayden Christensen als Bob Dylan-Lookalike) verliebte, reagierte — so zumindest imaginiert es der Film — Warhol wie ein beleidigtes Kind und tat alles dazu, um die Beziehung zu hintertreiben. Schließlich erfolgte nach einer kurzen gemeinsamen Zeit der Bruch Warhols mit seinem ehemaligen Liebling. Das umschwärmte Glamour Girl Sedgwick, ein Beweis dafür, dass Karrieren wie die einer Paris Hilton kein ausschließliches Phänomen unserer Gegenwart sind, verkraftete den Absturz aus dem Universum des Pop Art Künstlers nicht, sie setzte ihrem Leben 1971 im Alter von 28 Jahren ein Ende.

George Hickenloopers Biopic wirkt in seinen guten Momenten wie ein Dokumentarfilm, der den Geist und vor allem den Look der Sechzigerjahre in die Gegenwart herüber gerettet hat. Die Posen Andy Warhols, die Ausstattung, die Kostüme und selbst die nachgedrehten Filme Warhols aus der Factory – das alles wirkt stimmig, bis ins Detail recherchiert und wirkungsvoll in Szene gesetzt.

Vor diesem Hintergrund bleibt die historische Persönlichkeit Edie Sedgwick trotz aller Bemühungen Sienna Millers ziemlich blass und wirkt oftmals bis ins Klischeehafte überzeichnet und zugespitzt. Wichtige Details, die Edies Lebens- und Leidensweg überhaupt erst verständlich machen, erfährt der Zuschauer eher am Rande, anderes wiederum wirkt spekulativ und in seiner Verdruckstheit beinahe naiv – so etwa Hayden Christensen als Musiker, der wohl an die Folk-Legende Bob Dylan angelehnt ist, mit dem Edie eine Beziehung unterhielt.

Als filmische Biographie über eine faszinierende Frau jedenfalls funktioniert dieser Film nicht, als anschauliche Beschreibung der von Narzissmus, Geltungssucht und Unsicherheit geprägten Beziehung zwischen dem Künstler und seiner Muse schon eher. Was dem Anspruch des Films und der Person Edie Sedgwick aber nicht gerecht wird.

Dass der Film gerade jetzt erscheint, hat übrigens einen ganz bestimmten Grund – am 6. August jährt sich Andy Warhols 80. Geburtstag. Ob der Maestro mit seiner Darstellung in diesem Film über seine Muse glücklich gewesen wäre, das sei allerdings dahin gestellt.

Factory Girl

Unter den zahlreichen Stars und Sternchen von Andy Warhols Kunstfabrik Factory ist Edie Sedgwick die wohl bekannteste. Und das liegt nicht nur an der Herkunft aus bestem Hause, sondern auch an Sedgwicks tragischem Lebensweg, der das Auf und Ab und die Exzesse der narzisstischen Kunstszene der Sechziger am besten widerspiegelt.
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Meinungen

verwirrtesmädchen · 24.08.2008

würde sich der 80. geburtstag jähren, wäre es dann nicht sein 81. geburtstag? oO