Botero - Geboren in Medellin

Eine Filmkritik von Joachim Kurz

Der Meister der dicken Damen

Er ist schon Max Ernst (Mein Vagabundieren – Meine Unruhe, 1991) auf den Leib gerückt, hat die Witterung Nike de Saint Phalles und Jean Tinguelys aufgenommen (Wer ist das Monster – du oder ich?; 1996), hat Friedensreich Hundertwasser mit der Kamera begleitet (Hundertwassers Regentag; 1973). Wie kaum ein zweiter versteht es Peter Schamoni, neben seiner Arbeit als Spielfilmregisseur (unvergessen Zur Sache, Schätzchen über das Leben der Schwabinger Bohème mit der jungen Uschi Glas in der Hauptrolle) Künstlerporträts mit der Kamera zu malen, die den Geheimnissen von Inspiration, Genie und Exzentrik nachspüren. Dieses Mal hat sich Schamoni nach Kolumbien begeben, genauer in die berüchtigte Stadt Medellin, die nicht nur die Heimat des gleichnamigen Drogenkartells, sondern auch eines der berühmtesten Maler der Gegenwart ist. Die Rede ist von Fernando Botero, dem Maler mit der Vorliebe für beleibte Damen und Herren, die zu seinem Markenzeichen geworden sind.
Anlässlich von Boteros 75. Geburtstag lässt Peter Schamoni das Leben und das Werk des Malers Revue passieren und zeichnet die Stationen nach: 1932 in Medellin geboren, verliert Botero bereits mit fünf Jahren seinen Vater, sieben Jahren später beginnt er mit der Malerei und stellte mit 16 Jahren zum ersten Mal aus. Mit 18 Jahren entdeckt er den Maler Paul Gauguin für sich und zieht in ein Dorf an der karibischen Küste, um die Gedankenwelt seines Idols besser nachvollziehen zu können. Es folgen Stationen in Madrid, New York und endlich der lang ersehnte Erfolg, der ausgerechnet in Deutschland seinen Anfang nimmt. Von dort aus erobern Boteros Bilder und Plastiken zunächst den europäischen Kunstmarkt, gelingt ihm dies auch in Amerika. Doch Boteros Leben und Karriere steckt auch voller Tiefschläge: Sein vierjähriger Sohn stirbt bei einem Autounfall, bei dem der Maler verletzt wird – ein Schock, den er später immer wieder in seinen Bildern aufzuarbeiten versucht.

Boteros Bilder reflektieren auch den Alltag in Kolumbien in all seinen Facetten – auch den gewalttätigen. Nachdem eine Entführung nur knapp scheitert, verlässt der Künstler das Land überstürzt, um woanders in Ruhe und ohne Angst weiterarbeiten zu können. Der Maler, dessen Bilder und Skulpturen für viele Kritiker naiv wirken, hat unter dem Eindruck des Folterskandals von Abu Ghraib einen riesigen Werkzyklus geschaffen, in dem er sich mit Folter und Gewalt auseinandersetzt. Und weil Fernando Botero nicht mit dem Leiden Anderer sein Geld verdienen will, hat er dieses Werk an öffentliche Einrichtungen verschenkt, um die Erinnerung an die Gräueltaten am Leben zu erhalten.

Gewohnt präzise zeichnet Peter Schamoni den Lebensweg und den faszinierenden Charakter Boteros nach, selten nur ist der Eingriff des Regisseurs zu spüren. Stattdessen macht der Film den Eindruck, als begleite man den Künstler auf einem Spaziergang durch sein Leben und seine Figuren, die man nach diesem Film mit anderen Augen sieht. Sie sind nicht mehr nur einfach die korpulenten Gestalten, die uns vieltausendfach von Buchcovern, Postern und Podesten herab anschauen – sie sind vielmehr der sichtbare Ausdruck einer Gedankenwelt voller Phantasie, Zärtlichkeit, Traurigkeit und Scharfsinn. Sie sind Spuren eines intensiven Lebens und eines ungewöhnliche Mannes.

Botero - Geboren in Medellin

Er ist schon Max Ernst („Mein Vagabundieren – Meine Unruhe“, 1991) auf den Leib gerückt, hat die Witterung Nike de Saint Phalles und Jean Tinguelys aufgenommen („Wer ist das Monster – du oder ich?“; 1996), hat Friedensreich Hundertwasser mit der Kamera begleitet („Hundertwassers Regentag“; 1973).
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Meinungen

· 18.11.2008

Der Film hätte in der Kategorie "anspruchsvollere Dokumentation" auf 3Sat oder Arte einen besseren Platz gehabt. Langsam aber sicher wird der Film aus den wenigen Kinos, in denen er gezeigt wird, herausgenommen.Es ist ja kein breites Publikum, welches sich für das ausgesuchte Genre "Künstlerportraits" begeistern kann. Ganz nettes Filmchen, für das man aber nicht zu unchristlichen Zeiten unbedingt ins Kino gehen muß.