Der Richter

Eine Filmkritik von Marie Anderson

In den Fängen eines unbarmherzigen Justizsystems

Auch wenn es noch so unerschütterlich und etabliert erscheint, kann das Leben eines Mannes durch ein paar unwegsame Wendungen des Schicksals rasch aus der üblichen Bahn katapultiert werden. Ein derartiges Szenario entwirft der dänische Regisseur Gert Fredholm mit Der Richter / Dommeren, für den Peter Gantzler (33 Szenen aus dem Leben / 33 sceny z zycia, 2008) als Bester Schauspieler beim Filmfest EuropaCinema 2006 prämiert wurde.
Als Richter ist Jens Christian (Peter Gantzler), ein Mann von strengen Prinzipien, für Entscheidungen bei Asylverfahren zuständig, ein heikles Territorium, auf dem oftmals nach recht vagen Anhaltspunkten über das weitere Schicksal eines Menschen bestimmt werden muss. Eines Tages ereignet sich eine Katastrophe, als der Flüchtling Sergo Bliatze (Adrian Arsinevici) sich nach der Ablehung seines Asylantrags in Gegenwart des Richters verzweifelt mit Benzin befeuchtet und seinen eigenen Körper in Brand setzt. In den Medien und auch bei seinen Kollegen sieht sich Jens Christian nun einer heftigen Kritik ausgesetzt, der durch diese drastische Tat selbst ganz erschüttert ist, zumal er mit seiner richterlichen Entscheidung nur Recht und Gesetz dienen wollte und nun überrascht feststellt, welch fatale Folgen auch die besten Absichten nach sich ziehen können.

Auch auf privater Ebene wird das scheinbar gefestigte Leben des Richters nun erheblich erschüttert, denn unvermittelt wird er mit seinem beinahe vergessenen und stets verdrängten Sohn Erik (Peter Schrøder) konfrontiert, den er nie kennen gelernt hat und der gerade den Versuch unternommen hat, sein als unerträglich empfundenes junges Leben zu verlassen. Verwirrt und wenig gewappnet sieht sich der unfreiwillige Vater nun auch seiner eigenen Geschichte und zudem seiner komplizierten, sehr ungesund erscheinenden Familienkonstellation erneut gegenübergestellt, und es wird deutlich, dass Jens dem ansteigenden Druck der Emotionen und Ereignisse kaum noch gewachsen ist, doch dieses Mal kann er sich im Gegensatz zu seiner üblichen Haltung aus allen unangenehmen Situationen nicht einfach zurückziehen…

Regisseur Gert Fredholm bietet zwar im Verlauf seiner Inszenierung immer wieder Ansätze an, um die Motivationen seiner Charaktere zu erklären, doch stellt er damit bewusst keine wirkliche Nähe zu seinen Protagonisten her, und besonders der Richter ist in seinen selbst gewählten, schützenden wie abschottenden Distanzierungen derart gefangen, dass jede Tendenz zu einer Öffnung seine gesamte Lebenskonfiguration bedroht. Der Richter / Dommeren ist ein ungemütlicher, kalter Film, der seine Konzentration ganz auf die schwelenden Konflikte seiner Figuren lenkt und sich dramaturgischen Gefälligkeiten ebenso verweigert wie eindeutigen, schlüssigen Entscheidungen, so dass der Zuschauer ähnlich der verstörten Hauptfigur mit einer Unverbindlichkeit zurechtzukommen gezwungen ist, die zwar nicht froh macht, vor allem sicherlich nicht jene Männer, die der eigenen Vaterschaft mit konsequenter Verdrängung begegnen. Doch manchmal gelangt man gerade dann zu aufschlussreichen, nachhaltigen Einsichten, wenn man die bequeme Komfortzone einmal verlässt, und sei es nur einen Film lang.

Der Richter

Auch wenn es noch so unerschütterlich und etabliert erscheint, kann das Leben eines Mannes durch ein paar unwegsame Wendungen des Schicksals rasch aus der üblichen Bahn katapultiert werden. Ein derartiges Szenario entwirft der dänische Regisseur Gert Fredholm mit „Der Richter“ / „Dommeren“, für den Peter Gantzler („33 Szenen aus dem Leben / 33 sceny z zycia“, 2008) als bester Schauspieler beim Filmfest EuropaCinema 2006 prämiert wurde.
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