Kleine Geheimnisse

Eine Filmkritik von Red.

Schauplatz Luxemburg

Esch-sur-Alzette in Luxemburg ist eine verschlafene Kleinstadt. Erst recht in den frühen Sechzigern, als der zwölfjährige Norbi Welscheid (Ben Hoscheit) dort aufwächst. Norbi wächst in bürgerlichen Verhältnissen auf: Die Mutter (Nicole Max) sorgt als Hausfrau für das Wohl der Familie, die außerdem noch aus Norbis vier Jahre älterer Schwester Josette (Anouk Wagener) besteht. Sein Vater (André Jung) betreibt ein kleines Papier- und Schreibwarengeschäft, ist sparsam und fromm, wie es dem Geist der Zeit entspricht und ist stets darauf bedacht, das eigene Ansehen und das seiner Lieben zu schützen. Widerspruch gegen die strengen Prinzipien des Patriarchen wird nicht geduldet, Prügel – auch mit einer Gerte – sind zu dieser Zeit und in diesem Milieu noch an der Tagesordnung. Das bekommt Norbi, dessen Bett manchmal morgens noch nass ist, genauso zu spüren wie seine Schwester, deren erste Schritte in Richtung Liebe vom strengen Vater energisch sanktioniert werden. Ähnlich sadistisch ist auch Norbis Lehrer Treines (Luc Feit), der seine Klasse mit überharter Autorität auf das Gymnasium vorbereitet. Doch Norbi weiß sich zu behaupten und durchzusetzen. Auch wenn das in der angstbesetzten Zeit des Kalten Krieges nicht einfach ist, in der die rigide Moral der katholischen Kirche, die ersten Vorahnungen der Jugendrevolte der späten Sechziger und die Verdrängung der Gräuel des Nationalsozialismus das Weltbild prägen.
Kleine Geheimnisse / Perl oder Pica basiert auf dem gleichnamigen autobiographischen Roman des Luxemburger Autors Jhemp Hoscheit, dessen Sohn Ben die Rolle des Norbi spielt. Der Luxemburger Dialekt, in dem der Film konsequent gedreht ist und liebevolle Milieuschilderungen katapultierten Kleine Geheimnisse / Perl oder Pica in seiner Heimat Luxemburg zu einem wahren Publikumsmagneten – 30.000 Zuschauer wollten den Film sehen. Ob dies den Aufstieg des luxemburgischen Kinos einläutet, ist allein aufgrund der Größe des Landes und der Strukturen fraglich. Co-Produktionen wie diese sind in einem Land wie Luxemburg wohl das Mittel der Wahl. Doch der Erfolg zeigt, dass die Menschen trotz eines riesigen Angebotes an Filmen sich nach wie vor für das interessieren, was aus ihrer unmittelbaren Umgebung und ihrer Erfahrungswelt stammt. Wobei die Geschichte um Norbi und seine Familie auch in Belgien, Frankreich, den Niederlanden oder anderswo spielen könnte. Denn die Erinnerungen an die Zeit des Verdrängens und Vergessens sind trotz aller Verhaftung in der Kleinstadt Esch-sur-Alzette symptomatisch für die Zeit.

Kleine Geheimnisse

Esch-sur-Alzette in Luxemburg ist eine verschlafene Kleinstadt. Erst recht in den frühen Sechzigern, als der zwölfjährige Norbi Welscheid (Ben Hoscheit) dort aufwächst.
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