Diese Nacht

Eine Filmkritik von Silvy Pommerenke

Oper? Theater? Kino?

Werner Schroeter wurde für sein Gesamtwerk mit dem Sonderpreis der Jury der Filmfestspiele von Venedig 2008 ausgezeichnet. Sein neuester Film findet jedoch nicht nur Liebhaber, sondern sorgt vor allem für eines: die Polarisierung des Publikums.
Als Vorlage für Diese Nacht – Nuit de chien diente der Roman Para esta noche von Carlos Onetti aus dem Jahr 1943. Santa María, eine fiktive südamerikanische Stadt, droht im Chaos von Gewalt, Gefechten und Gräueltaten unterzugehen. Es bleibt nur noch eine Nacht, bis das weitere Schicksal der Stadt und ihrer Menschen entschieden wird. Luís Ossorio Vignale (Pascal Greggory), Chirurg und Widerstandskämpfer, ist in diesem Chaos auf der Suche nach seiner Freundin Clara, findet aber lediglich deren leeren Wohnung vor. Da das letzte rettende Schiff in nur wenigen Stunden vom Kai ablegt, muss sich Ossario durch die wütende Stadt mit all ihren Extremen kämpfen, um seine Geliebte mit an Bord nehmen und fliehen zu können. Dabei wird er immer tiefer in die Intrigen und Wirrnisse Santa Marías verstrickt und letztendlich selbst zum Gejagten. Aus den ehemaligen Freunden und Mitstreitern sind mittlerweile selbstsüchtige Menschen geworden, wie sein einstiger Kommandant Martins (Jean-François Stévenin), der in einem fröhlichen Wechselspiel die Seiten tauscht, ganz so, wie er es gerade für opportun hält. Was zählen schon Freundschaften in Zeiten der Aufruhr? Für den skrupellosen Chef der Geheimpolizei, Morasan (Bruno Todeschini), sind Freundschaften jedenfalls ein Fremdwort, und er lässt gnadenlos alle Menschen ermorden, die ihm im Wege stehen. Einzig der Nachtclub von Madame Risso (Nathalie Delon) scheint eine Insel der Gutmenschen zu sein, aber auch hier hält der gewalttätige Mob im Blutrausch Einzug, allen voran Morasan. Barcala, ebenfalls einstiger Mitstreiter von Ossario, hat für sich bereits die Konsequenzen gezogen: Als menschliche Bombe harrt er auf seine Häscher in einem geheimen Versteck, und es bedarf nur einer einzigen Handbewegung, um sich und alles andere in die Luft zu sprengen. Wird letztendlich Ossario seine Freundin finden und den rettenden Ausweg auf das Schiff nehmen können?

Werner Schroeter hat — wie bereits in den vergangenen vierzig Jahren seines Filmschaffens — für Diese Nacht – Nuit de chien nach neuen Wegen in der filmischen Darstellung gesucht. Dabei ist unverkennbar, dass er eine große Leidenschaft für das Theater und die Oper hat, denn viele der Szenen muten wie ein apokalyptisches Theaterstück an, das eine bedrückende Stimmung verbreitet. Ob das aber der richtige Weg für das Kino ist, bleibt zu hinterfragen, denn während beispielsweise Lars von Trier in Dogville diesen neuen Weg mit Bravour umgesetzt hat, wirkt vieles im Film von Schroeter extrem überzeichnet und gewollt. Sei es, dass die Statisten am Rande des Filmgeschehens durch übertriebene Gestik und Mimik die Aufmerksamkeit versuchen auf sich zu ziehen, oder aber im Gegenteil zu Skulpturen erstarren, als würde man auf die Pause-Taste des DVD-Players drücken, so wirkt alles zu sehr gekünstelt und inszeniert. Auch dass Schroeter die Handlung in die Gegenwart verlegt und nicht als surrealistisches Drama der vierziger Jahre belassen hat, wirkt sich nicht gerade positiv auf diesen existenzialistisch anmutenden Film aus. Als reines Theaterstück oder auch als Oper würde er ohne Zweifel besser funktionieren und atmosphärisch dichter erscheinen, auf der Kinoleinwand wirkt alles jedoch überfrachtet und sperrig. Zwar gibt es traumhafte Einstellungen und Bildmotive, die wie ein endzeitliches Gemälde u.a. mit der Musik von Rossini, Mozart und Haydn untermalt sind, und die Figur des Ossario ist überzeugend dargestellt vom charismatisch-markanten Pascal Greggory, aber dies kann den verstörenden Gesamteindruck von Diese Nacht – Nuit de chien nicht beseitigen. Vielleicht muss man den Film ein zweites Mal sehen, um sich auf die Machtgewalt der Bilder und die blutrünstige Handlung einzulassen. Vielleicht belässt man es aber auch beim einmaligen Anschauen und zieht stattdessen die Lektüre des Buches vor.

Diese Nacht

Werner Schroeter wurde für sein Gesamtwerk mit dem Sonderpreis der Jury der Filmfestspiele von Venedig 2008 ausgezeichnet. Sein neuester Film findet jedoch nicht nur Liebhaber sondern sorgt vor allem für eines: die Polarisierung des Publikums.
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Meinungen

Silent Rocco · 26.01.2010

Ich liebe Kino.
Aber das ist - ganz ehrlich - Müll.
Ohne Charisma, kein gutes Skript, die Kamera ist ok aber ganz klar nicht grandios, die Schauspieler zum Teil grauenhaft (schön, dass hier das schlimme Statistentreiben erwähnt wurde, wirklich nervig. Dieser Film lässt mich einfach unheimlich kalt, die Schicksale der Charaktere sind mir absolut egal...und so mäandert dieses erzwungene und staubtrockene Ding vor sich hin, dass es einem den Eject-Taste-Finger kribbelt. Ganz schlimme Zeitverschwendung, nur was für pseudo-intellektuelle Schulterklopfer, die dann mit Möchtegernkritiken zum Kreis der Erlauchten gehören wollen. Danke, dass es hier etwas ehrlicher zugeht. Ich bekomme direkt Lust auf Antichrist - so sieht visionäres Autorenkino aus, nicht wie dieser sperrige Opern-Fernsehkram

Marga · 18.04.2009

Wie von einem deutschen Regisseur nicht anders zu erwarten: krampfhafter Tiefsinn ohne wirkliche Aussage. Von der Machart ist der Film stark an Pasolini angelehnt, jedoch ohne dessen Authentizität und Charisma. Vom Macher der großartigen Bachmann-Verfilmung "Malina" hätte ich was Anderes erwartet.