Bis später, Max

Eine Filmkritik von Peter Gutting

Alter schützt vor Liebe nicht

Sensible Figurenzeichnungen waren schon immer die große Stärke von Jan Schütte. Unvergessen ist sein Spielfilmdebüt Drachenfutter aus dem Jahr 1987. Jetzt hat er ein beeindruckend präzises Porträt eines alternden Schiftstellers entworfen.
Der Anfang ist furios: Ein Zugschaffner tritt auf, kontrolliert, stellt merkwürdige Fragen. Ob der ältere Fahrgast verheiratet sei, ob er den Frauen nachschaue. Und schließlich: ob er noch Sexualverkehr habe. Der Streit schaukelt sich hoch ins Bizarre – Schnitt, der „Beschuldigte“ schreckt auf aus einem Albtraum. Realität und Fiktion sind nicht streng geschieden in Bis später, Max / Love comes lately. Das hat mit dem Alter des Titelhelden zu tun, der die 80 schon überschritten hat. Und mit seinem Beruf als Autor von Kurzgeschichten. Die entspringen ziemlich nahtlos seinem Leben, nehmen in der Fantasie eine neue Wendung und wirken über den Dialog mit den fiktiven Figuren wieder aufs reale Leben zurück.

Max Kohn (Otto Tausig) ist trotz seines hohen Alters recht agil. Er schreibt noch, geht auf Lesereisen und trifft dort manch schöne Frau. Der schüchtern wirkende alte Mann scheint eine unwiderstehliche Anziehungskraft zu haben. Er braucht kaum etwas zu tun, um seine erotischen Fantasien Wirklichkeit werden zu lassen. Immer sind es die meist deutlich jüngeren Frauen, die die Initiative ergreifen, ihn verführen mit entwaffnender Nonchalance. Fast zu schön, um wahr zu sein. Wenn da nicht Max’ langjährige Freundin Reisel (Rhea Perlmann) wäre, die den Fremdgänger mit rasender Eifersucht überzieht.

Die Literatur – und man darf getrost hinzufügen: auch das Kino – habe alte Menschen und ihre Gefühle lange vernachlässigt, hat der Literatur-Nobelpreisträger Isaac B. Singer einmal gesagt. Von ihm stammen die drei Kurzgeschichten „Alone“, „The Briefcase“ und „Old Love“, die Jan Schütte wie selbstverständlich ineinander verwoben hat. Dabei gelang ihm das Kunststück, seinen Kurzfilm Old Love aus dem Jahre 2001 bruchlos zu integrieren und auf diese Weise sozusagen „zweitzuverwerten“. Offensichtlich hat ihn das berührende Innenleben von Singers Figuren so fasziniert, dass er beschloss, es von weiteren Seiten her auszuloten.

Das Schönste daran: Wie es Singer und Schütte gelingt, das erotische Leben eines alten Mannes eben nicht als peinliche Altherrenfantasie abzustempeln. Sondern es mit präzisem Feingefühl in all seinen Facetten von Vergnügen, Scham, Vertrautheit und Neugier auszubreiten. Und mit all seinen Komplikationen. Wenn etwa die Hotelangestellte Esperanza (Elisabeth Peña) aus Angst vor dem nächtlichen Gewitter zu Max ins Bett steigt, dann ist das eine Szene von großer Zärtlichkeit, aber auch von überbordenden Skrupeln. Und wenn Max’ ehemalige Studentin Rosalie (Barbara Hershey) sich die Liebeslust mit einem Joint versüßt, dann steht in Gedanken die eifersüchtige Reisel neben dem Lotterbett. Am eindrücklichsten dürfte aber die Szene aus der Episode „Old Love“ in Erinnerung bleiben: wie Tovah Feldshuh als schöne Nachbarin Ethel den alten Mann mit ihren Augen und ihrer Körpersprache lockt und beinahe verschlingt. Und wie sie urplötzlich von dem Schock ins Innerste getroffen wird, dass sie gerade dabei ist, ihren über alles geliebten und vor kurzem verstorbenen Ehemann zu betrügen.

Das ist nicht nur hohe Schauspielkunst. Das ist so auf den Punkt hin inszeniert, dass in der tragikomischen Nähe zu den Figuren das reale Leben aufscheint. Auf dass die Gefühle alter Menschen nun auch im Kino ihren Platz finden: Weniger dramatisch und weniger „jung“ zwar als etwa in Wolke 9 von Andreas Dresen. Dafür aber im unverwechselbaren Jan-Schütte-Stil.

Bis später, Max

Sensible Figurenzeichnungen waren schon immer die große Stärke von Jan Schütte. Unvergessen ist sein Spielfilmdebüt Drachenfutter aus dem Jahr 1987.
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Meinungen

Michael Petrikowski · 11.02.2009

PREMIERE mit Regisseur Jan Schütte und Hauptdarsteller Otto Tausig
am Sonntag 08.03.2009 um 15.00 Uhr in der Lichtburg in Essen!
Eintritt: 7,- € | Der Vorverkauf läuft (täglich ab 15.00 Uhr in der Lichtburg)

Lesung vor dem Film:
Hauptdarsteller Otto Tausig liest eine Kurzgeschichte aus “Späte Liebe”
von Isaac B. Singer

Snacki · 28.01.2009

Life is a walking shadow ... tolles deutsches Autorenkino!