El Sistema

Eine Filmkritik von Peter Gutting

Die Kraft leuchtender Kinderaugen

Wenn man es nicht sehen würde, würde man es nicht glauben: In Venezuela lernen 300.000 Kinder und Jugendliche aus sozialen Brennpunkten ein Musikinstrument. Warum sie das tun und mit welcher Hingabe sie dabei sind, zeigt der berührende Dokumentarfilm El Sistema von Paul Smaczny und Maria Stodtmeier.
„Als ich zur ersten Probe wollte, wurde ich ins Bein geschossen“, erzählt die 18jährige Kontrabassistin Mairi Padron. Der Tag war weniger wegen der Schmerzen ein Albtraum für Mairi. Schlimmer war, dass sie nicht zur Probe konnte. Denn das war ein ganz besonderes Vorspiel: Das junge Mädchen hatte sich für eines der weiterführenden Orchester beworben. Hier können diejenigen ihr Spiel perfektionieren, die in den 270 Musikschulen des Landes eine Basis-Ausbildung im Orchester und an ihrem Instrument erhalten.

Punktgenauer als mit dem Zitat von Mairi könnte man das Anliegen von El Sistema, wie das Programm genannt wird, nicht vor Augen führen: Kindern und Jugendlichen eine Alternative bieten zu ihrer Lebenswelt, die geprägt ist von Armut und Bandenkriegen in den „Barrios“, den slumähnlichen Vorstädten. Allein in der Hauptstadt Caracas leben mehrere Millionen Menschen in solchen eigentlich illegal errichteten Siedlungen. Schießereien sind hier an der Tagesordnung. Und dass Unbeteiligte, insbesondere auch Kinder, dabei durch Querschläger oder sonst wie getroffen werden, ist keine Ausnahme.

Auch etwas Anderes dokumentiert die Geschichte von Mairi: Mit welcher Freude und welcher Motivation diese Kinder und Jugendlichen Musik machen. Ganz fern ist hier das Quälende eines von den Eltern verordneten Unterrichts, ganz nah der Stolz auf das Geleistete und die Faszination des gemeinsamen Spiels. Das muss El Sistema nicht durch verbale Aussagen beglaubigen (obwohl der Film das auch tut). Das kann man sehen. Wenn die Kamera sich diesen wunderbar konzentrierten Gesichtern nähert, wenn sie diesen gelösten, manchmal entrückten Ausdruck zeigt, dann weiß man: Diese Art des Musizierens öffnet die Tür in eine andere, erfülltere Welt.

Was das Geheimnis dieser Verbindung zwischen sozialer Arbeit und klassischer Musik ist, das erklärt José Antonio Abreu, der 1975 mit zunächst nur zwölf Kindern das El-Sistema-Projekt gegründet hat, das Netzwerk aus Musikschule, Jugendorchestern und Workshops. Es ist der Glaube an die soziale Kraft der Musik. Daran, dass sie die Seele stärkt und aus Schülern Menschen macht, die anders miteinander umgehen als sich in Bandenkriegen über den Haufen zu schießen.

Deshalb spielen die Kinder von Anfang im Orchester, auch wenn sie auf ihrem Instrument noch wenig technische Fertigkeiten mitbringen. Das zeigt der Film auf rührende Weise anhand der so genannten „Papier-Orchester“. Da sitzen die Jüngsten ganz stolz hinter ihren Pulten, singen mit der Dirigentin, schwingen ihre Bögen durch die Luft und tun manchmal so, als würden sie ihrem Instrument Töne entlocken. Dass Geigen und Celli aus Karton gefertigt sind und nichts von sich geben, tut der Freude keinen Abbruch. Die Papier-Orchester geben sogar Vorstellungen für die Eltern. Und die Augen der Kleinen leuchten nicht weniger, als wenn sie gerade Beethovens Neunte in den Saal geschmettert hätten.

Paul Smaczny und Maria Stodtmeier haben aus der Musik, den Interviews, der Probenarbeit und der Städtelandschaft einen faszinierenden Kosmos geschaffen, in dem sich das Projekt El Sistema nach und nach entfaltet, hin zu immer neuen Überraschungen, etwa einem Chor von Gehörlosen. Der Film entfaltet eine Kraft und Lebensfreude, die an den thematisch ähnlichen, höchst erfolgreichen Rhythm’ Is It! (mehr als 600.000 Besucher in einem Jahr) erinnert. Vielleicht wird er ja ein vergleichbarer Publikumsmagnet. Und vielleicht wird man diese staunenden Kinderaugen lange im Gedächtnis behalten. Denn dann glaubt man all das eigentlich Unglaubliche, wovon dieser Film handelt.

El Sistema

Wenn man es nicht sehen würde, würde man es nicht glauben: In Venezuela lernen 300.000 Kinder und Jugendliche aus sozialen Brennpunkten ein Musikinstrument. Warum sie das tun und mit welcher Hingabe sie dabei sind, zeigt der berührende Dokumentarfilm El Sistema von Paul Smaczny und Maria Stodtmeier.
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Meinungen

John · 03.12.2021

Very bad movie because when you can’t speak Spanish you have to read the subtitles all the time.I found really shocking news about the project.It isn’t a movie you can enjoy on a nice day or weekend.I’m sorry.In my point of view it’s not so nice