So glücklich war ich noch nie

Eine Filmkritik von Peter Gutting

Vom Reiz, ein anderer zu sein

Was ist ein Hochstapler? Einer, der sich in Sekundenschnelle vom gebeutelten Underdog in einen herrischen Finanzjongleur verwandelt. So weit das vordergründige Klischee. Wie es hinter den Kulissen aussieht, zeigt die wunderbar flirrende Tragikomödie von Alexander Adolph.
Der Film beginnt mit einer Szene in einer Edelboutique, an die man sich noch lange erinnern wird. Ein seriös wirkender Mann spricht eine elegante Kundin an, die sich versonnen im Spiegel betrachtet. Er schmeichelt ihr, schüchtern und unverschämt zugleich. Und geht so weit, ihr den rosa Mantel schenken zu wollen, den sie wegen des hohen Preises wieder zurückgelegt hatte. Die junge Frau lehnt ab – und ist doch beeindruckt.

Das Verwirrspiel in der Boutique ist eine vielschichtige, undurchsichtige Begegnung, deren wahrer Hintergrund sich erst ganz am Ende aufklären wird. Dazwischen liegen 94 Minuten, die sich dem Spiel mit Sein und Schein nicht allein deshalb verschrieben haben, weil das so unterhaltsam, so überraschend und so kinogerecht ist. Sondern weil es einen Punkt in uns anrührt, dem wir uns im Leben wie vor der Leinwand gerne hingeben. „Möchten Sie manchmal nicht auch jemand völlig anderer sein“, fragt Frank – der Galan mit der Spendierlaune – die Frau, als er sie später wieder trifft. Das ist pikant. Denn Tanja arbeitet als Prostituierte und scheint sich den Zutritt zu der Edelboutique mit den Wunderwaffen eines Chamäleons verschafft zu haben.

Für Frank (Devid Striesow) war die Anmache der stolzen Tanja (Nadja Uhl) übrigens der vorerst letzte Auftritt als stinkreicher Musikmanager aus London. Seine Kreditkarte verrät ihn als Trickbetrüger. So wandert er erstmal zwei Jahre in den Knast. Wieder draußen, bleibt ihm angesichts von 30 Vorstrafen nur eine einzige Chance: bei seinem Bruder unterzukommen, den Job als Putzmann nicht gleich wieder aufs Spiel zu setzen und nie wieder den großen Macker raushängen zu lassen. Bei einem Rückfall würde Frank für zehn Jahre eingelocht, droht der Bewährungshelfer. Eine Art Entziehungskur also. Die geht so lange gut, bis Frank zufällig Tanja wiedersieht.

Devid Striesow spielt den Spagat zwischen dem leidenden Hund und dem aalglatten Blender mit einer beeindruckenden Bandbreite. Wie gut er den eisigen Manager drauf hat, sah man ja beispielsweise in Christian Petzolds Yella. Aber dass er all diese Nuancen bis hin zur psychischen Krankheit auslotet, als die die Hochstapelei hier gezeigt wird – das erzeugt eine Spannung, die von der Unberechenbarkeit dieses Charakters lebt.

In gewissem Sinn ist dem Regisseur Alexander Adolph in seinem Spielfilmdebüt eine glänzende psychologische Studie gelungen. Denn mit Hochstaplern kennt er sich aus. An diesem Thema hatte er schon für seine Dokumentation Die Hochstapler fünf Jahre lang gearbeitet. Glücklicherweise ist So glücklich war ich noch nie aber mehr als Psychologie: In keinem Moment erscheint Frank als ein bloßer „Fall“, dessen bewundernswerte oder abstoßende Fähigkeiten man aus der Distanz des Kinosessels auf sich wirken lässt. Nein, der Film zieht den Zuschauer hinein in die Faszination und Verwirrung, die von dieser brüchigen und gebrochenen Figur ausgeht. Den Betrachter ereilt dasselbe Schicksal wie Tanja. Die glaubt Frank eigentlich kein Wort, sie durchschaut ihn komplett. Und kann sich trotzdem den Träumen nicht entziehen, mit denen der virtuose Angeber nur deshalb so verführerisch spielen kann, weil er immer wieder in Zustände gerät, in denen er selbst daran glaubt.

Es ist eine wunderschöne, weil völlig untypische Liebesgeschichte, die sich da entspinnt. Dieses Paar hat natürlich keine Chance. Und trotzdem gibt es diese paar Sekunden, in denen es der notorische Schwindler schafft, ihr und sich selbst die Wahrheit zu sagen. Diesen Moment wird man wohl ebenfalls nicht so schnell vergessen.

So glücklich war ich noch nie

Was ist ein Hochstapler? Einer, der sich in Sekundenschnelle vom gebeutelten Underdog in einen herrischen Finanzjongleur verwandelt. So weit das vordergründige Klischee. Wie es hinter den Kulissen aussieht, zeigt die wunderbar flirrende Tragikomödie von Alexander Adolph.
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