Die Schimmelreiter

Eine Filmkritik von Joachim Kurz

Nordisch by nature

Lars Jessen scheint sich mit der Zeit zu einer Art nordischem Gegenstück von Marcus H. Rosenmüller zu entwickeln. Wie sein bayrischer Kollege, so legt auch er ein enormes Arbeitstempo vor und spult in schneller Folge einen Film nach dem anderen ab. Und noch etwas verbindet die beiden Regisseure miteinander – ihr Interesse an Geschichten, die vor allem regional geprägt sind und die man durchaus als „Heimatfilme“ bezeichnen kann. Wenngleich beide nichts mit den Schmonzetten aus den Fünfzigern und Sechzigern zu tun haben. Beinahe zeitgleich mit Dorfpunks kommt nun mit Die Schimmelreiter, den er gemeinsam mit dem Drehbuchautor Ingo Haeb als Co-Regisseur realisierte, der zweite Film Jessens in diesem Jahr heraus.
Wobei die Grundidee, die Jessens neuem Film zugrunde liegt, manchem aufmerksamen Kinogänger ziemlich bekannt vorkommen dürfte: Lebensmittelkontrolleure auf einer tragikomischen Odyssee durch die Tiefen der Provinz und all die Imbissbuden, Dorfkneipen und Asia-Lokale — wer denkt da nicht an Paul Harathers famose Komödie Indien aus dem Jahre 1993. Dass einer der beiden Hauptdarsteller (Josef Hader) dieses feinen österreichischen Films sich als Privatdetektiv Brenner in Der Knochenmann abermals mit den Abgründen des Gastronomiegewerbes auseinander setzen muss, beweist einmal mehr, welches Potenzial in der Branche steckt.

Mit Theodor Storms Novelle Der Schimmelreiter hat der Film nichts zu tun, auch wenn der Titel das impliziert. Hier geht es aber nicht um stolze Deichgrafen in Nordfriesland hoch zu Ross, sondern um den Lebensmittelkontrolleur Fuchs (Peter Jordan), der dem gemeinen Schimmelpilz und anderen Mikroben auf der Spur ist. Sein Einsatzgebiet ist Dithmarschen, doch den Rockabilly mit Elvis Costello Brille und Buick-Limousine zieht es in die Ferne – in Hamburg mit seinen vielen Lokalitäten und Restaurants verspricht er sich genau jene Herausforderung (in Anlehnung an Bruce Darnell spricht er permanent von „der Competition“), die ihm in der Ödnis der Provinz vollkommen abgeht. Doch bevor er sein (berufliches) Glück in der Hansestadt findet, hat ihm der dortige Dienststellenleiter eine kleine Hürde gebaut: Fuchs soll dessen versoffenen Bruder Tillmann (Axel Prahl) unter seine Fittiche nehmen und den Aufpasser für ihn spielen. Was aber gar nicht so leicht ist: Der gescheiterte Student der Literaturwissenschaften, der von einer gescheiterten Beziehung mit einer Italienerin aus der Bahn geworfen wurde, hat nämlich keine Lust darauf, brav in der Wohnung von Fuchs auf dessen Heimkehr von den Kontrollfahrten zu warten, sondern heftet sich ihm an die Fersen. Und sorgt damit natürlich für einiges an Verwirrung. Doch Fuchs erträgt den stets grummeligen Begleiter in der Hoffnung auf den neuen besseren Job in Hamburg zunächst geduldig und lässt sich auch diverse Einmischungen in sein etwas verzwicktes Privatleben gefallen. Bis er schließlich genug hat von den Eskapaden seines Weggefährten…

Wie bereits Indien, so lebt auch diese Variation über das abenteuerliche Leben von Lebensmittelkontrolleuren in der Provinz vor allem von der Gegensätzlichkeit der beiden Protagonisten: Während Fuchs den stets gut gelaunten, freundlich-korrekten und leicht spinnerten Amtsschimmel gibt, ist Tillmann ein egoistisches Arschloch, das gegen Bargeld auch gerne mal ein Auge zudrückt, eigentlich ständig einen über den Durst trinkt und trotzdem das Herz auf dem rechten Fleck hat. Nach diesem Strickmuster funktioniert nicht nur Indien und Die Schimmelreiter, sondern nahezu jeder komödiantisch angehauchte „buddy movie“.

Und genau darin liegt auch das Problem des Films: Wirklich Neues hat der Film nämlich nicht zu bieten, die Konstellationen und Verwicklungen der beiden Antihelden erscheinen auf seltsame Weise vertraut und wenig überraschend. Immer wieder sieht man dem Film auch sein geringes Budget an, wirken die Bilder, die doch von Weite und Leere zeugen sollen, seltsam flach und manchmal – wie bei dem schlussendlichen Autounfall – auch etwas unbeholfen.

Bliebe noch das Lokalkolorit als Trumpfkarte des Films, was allerdings intime Kenntnisse und Einblicke in den mitunter staubtrockenen und immer ein wenig maulfaul wirkenden Humor norddeutscher Prägung erfordert. Ob der Film auch südlich von Niedersachsen noch die gleichen Begeisterungsstürme ernten wird wie in seiner Heimat, kann zumindest in Frage gestellt werden. Immerhin aber zelebriert Axel Prahl hier wieder einmal sein so unnachahmlich herausgedrücktes „Moin“, dass es eine helle Freude ist. Dass er den muffeligen Norddeutschen wie kaum ein zweiter verkörpern kann, hat man nach seinen Auftritten im Münsteraner Tatort freilich schon lange gewusst.

Die Schimmelreiter

Lars Jessen scheint sich mit der Zeit zu einer Art nordischem Gegenstück von Marcus H. Rosenmüller zu entwickeln. Wie sein bayrischer Kollege, so legt auch er ein enormes Arbeitstempo vor und spult in schneller Folge einen Film nach dem anderen ab. Und noch etwas verbindet die beiden Regisseure miteinander – ihr Interesse an Geschichten, die vor allem regional geprägt sind und die man durchaus als „Heimatfilme“ bezeichnen kann. Wenngleich beide nichts mit den Schmonzetten aus den Fünfzigern und Sechzigern zu tun haben.
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Meinungen

@maria · 26.04.2009

Das ist natürlich richtig - Asche auf unser Haupt und danke für den Hinweis.

maria · 25.04.2009

"Mit Theodor Fontanes Novelle Der Schimmelreiter"
der schimmerlreiter ist von theodor storm
lg maria