Der Mann, der Yngve liebte

Eine Filmkritik von Silvy Pommerenke

Das schwierige Coming out von Poppern und Punks

Wir schreiben das Jahr 1989 und befinden uns im idyllischen Stavanger, das mit seinen etwa 120.000 Einwohnern bereits zur viertgrößten Stadt Norwegens zählt. Davon bekommen Jarle und seine Freunde allerdings nicht viel mit, denn außer der wilden Natur und restriktiven Gesetzen verläuft ihr Alltag vorzugsweise mit der Sinnsuche des Lebens. Selbstverständlich wird dabei gegen das Establishment revoltiert, und in Form von Punkmusik äußern sie ihre Kritik an der Gesellschaft. Als aber der neue Mitschüler Yngve mit Popperfrisur, Tennisschläger und Faible für Synthie-Pop auf der Bildfläche erscheint, ist es um Jarles Herz geschehen. Das Problem: Schwulsein in den späten Achtzigern bedeutete in der Provinz fast automatisch eine Identitätskrise.
Und in die stürzt der 17-jährige Jarle (Rolf Kristian Larsen), der bislang glaubte, mit seiner bildhübschen Freundin Katrine (Ida Elise Broch) das große Los gezogen zu haben. Alles läuft in sogenannten normalen Bahnen, und auch wenn ihm seine getrennt lebenden Eltern keinen wirklichen Halt bieten, hat er in Helge (Arthur Berning) wenigstens so etwas wie einen besten Freund. Mit ihrer Punkband „Matthias Rust Band“ wollen sie die Provinz ordentlich wachrütteln, was ihnen bisweilen auch gelingt, und sie heben sich von den angepassten Teenagern ihrer Umgebung durch wilde Frisuren, linke Politik und dem Aufbegehren an den bestehenden Strukturen ab. Da passt ein schöngeistiger, verträumter und vor allem Tennis spielender Yngve (Ole Christoffer Ertvaag) so gar nicht ins Konzept. Aber Jarle wird vom ersten Tag mit seinen ungewohnten Gefühlen für den jungen Mann konfrontiert, versucht dagegen anzugehen und gleichzeitig zieht es ihn immer wieder zu ihm hin. Er durchlebt ein Wechselbad der Gefühle, und als er Yngve auf einer Party ein Liebesgeständnis macht, droht die Welt der beiden aus allen Fugen zu geraten. Das kann nicht gut gehen, oder?

Die Literaturverfilmung des gleichnamigen Romans von Tore Renberg ist das Spielfilmdebüt des Regisseurs Stian Kristiansen, der dafür den NDR-Spielfilmpreis der 50. Nordischen Filmtage Lübeck erhielt. Nach Ansicht der Jury würde sich der Film durch die „unglaubliche Leichtigkeit, die Wärme und den Humor“ auszeichnen, die dennoch den Figuren ihre Wahrhaftigkeit lasse. Wahrhaftig sind sie tatsächlich, die jungen Männer und die junge Frau, die in ihrem Prozess des Erwachsenwerdens mit all ihren Schwierigkeiten und auch Unbeschwertheiten gezeigt werden. Von durchgehender Leichtigkeit kann jedoch keine Rede sein, denn die Entdeckung des Schwulseins stürzt Jarle und Yngve in eine extreme Krise, die auch den versuchten Suizid nicht ausschließt. Und auch die anderen Jugendlichen tun sich schwer damit, ihren eigenen Weg zu finden und sich mit Wirtschaftsrezession, Arbeitslosigkeit und dem Fall der Berliner Mauer auseinanderzusetzen. Wenngleich die Zwischentöne durchaus humorvoll sind, beispielsweise die Szene, in der die Jungs ganz unbedarft den Drogendealer suchen, um in den Genuss eines Joints zu kommen oder die, in der der Klassenoutlaw die Punkmusik der Matthias Rust Band stilistisch versucht einzuordnen, und ihm kein besserer Vergleich als Dire Straits dazu einfällt. Musik spielt sowieso eine große Rolle in diesem Coming-out-Film, denn auch darüber versuchen sich die Teenager anderen gegenüber abzugrenzen. Da gibt es die alternative Gruppierung, die The Jesus and Mary Chain und The Cure hören, während sich die Angepassten mit Japan und Spandau Ballet begnügen. Von daher ist dies allemal authentisch und spiegelt den Zeitgeist der achtziger Jahre wider. Ebenso authentisch sind die unterschiedlichen Figuren, die in ihren Charakteren niemals bloßgestellt sondern sehr glaubwürdig in ihren Sorgen und Nöten dargestellt und ernst genommen werden. Wenn man sich auf die latente Schwere des Filmes einlässt, dann ist dies ein tiefsinniges Drama mit einem coolen Soundtrack und einer unglaublich intensiven Liebeserklärung, die jedes noch so hartgesottene Herz zum Zerreißen bringt.

Der Mann, der Yngve liebte wird im Rahmen der Gay-Filmnacht im Oktober 2009 in nahezu zwanzig Kinos deutschlandweit gezeigt.

Der Mann, der Yngve liebte

Eigentlich ist in Jarles Leben alles in Ordnung. Er hat eine hübsche Freundin und seine Punkband soll bald ihr erstes Konzert geben. Doch dann kommt ein neuer Schüler in seine Klasse, der verachtenswerten Synthiepop hört und Tennis spielt. Jarle verliebt sich Hals über Kopf in den Neuen.Wir schreiben das Jahr 1989 und befinden uns im idyllischen Stavanger, das mit seinen etwa 120.000 Einwohnern bereits zur viertgrößten Stadt Norwegens zählt. Davon bekommen Jarle und seine Freunde allerdings nicht viel mit, denn außer der wilden Natur und restriktiven Gesetzen verläuft ihr Alltag vorzugsweise mit der Sinnsuche des Lebens. Selbstverständlich wird dabei gegen das Establishment revoltiert, und in Form von Punkmusik äußern sie ihre Kritik an der Gesellschaft.
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Meinungen

Sophie · 15.05.2013

..einer dieser Filme, von denen ich nie genug bekomme.
Großartig!!

fraukii · 27.05.2012

sehr schöner film, aber auch ziemlich emotional... lohnt sich auf jeden fall den zu gucken ! ;)

Paul · 07.11.2009

Tolle junge Schauspieler, mit Leidenschaft, die glaubhaft ihre Charaktere darstellen. Gegen Ende des Films, nachdem Jarle Yngve seine Zuneigung auf der Party gesteht - was in einer ungewöhnlichen Art geschieht - wird es emotionell.
Als dann der Showdown folgte, wenn Jarle mit dem Bus zu der Anstalt fährt, war ich sehr gespannt, was passieren würde.
Glücklicher Weise hat Yngve seinen vermeintlichen Suizidversuch heil überlebt, steht aber scheinbar unter Einfluss von Medikamenten.
Bei der Szene im Zimmer von Yngve entlädt sich dann die Spannung und lässt auf ein Happy End hoffen - sehr ergreifend, wie ich finde.
Allerdings verstehe ich es so, dass Jarle und Yngver nicht zusammen kommen, obwohl jetzt reiner Wein eingeschenkt ist.
Jarle lässt Yngver traurig zurück und besinnt sich auf sein seitheriges Leben.
Das machte wiederum MICH traurig.
Nun bleibt dem Zuschauer überlassen, wie er sich die Zukunft der beiden vorstellt.
Das "Tennisspielen am nächsten Mittwoch" wird wohl nicht funktioniert haben, da Yngve bestimmt noch länger in dem "großen Haus" bleiben muss.
Hach - wie tragisch....