Chaostage - We are Punks!

Eine Filmkritik von Joachim Kurz

Punk ist doch nicht tot!

Wer beim diesjährigen Max-Ophüls-Festival am Freitagabend vor dem Saarbrücker Cinestar auflief, glaubte sich zunächst womöglich auf der falschen Veranstaltung. Oder im falschen Film. Es war aber doch der richtige. Denn die Hunderte von Punks, die vor den Kinos herumhingen, Bier tranken und zur lauten Musik heftig abpogten, waren keine spontane Versammlung, sondern ausschließlich wegen eines Film gekommen, der ihr Lebensgefühl auf den Punk(t) bringt: Chaostage – We are Punks! von Tarek Ehlail und Matthias Lange. Der Film basiert – freilich ziemlich locker — auf Moses Arndts Kultbuch Chaostage, das seit rund zehn Jahre eine eingeschworene Fangemeinde hat.
Eigentlich war anfangs alles nur ein Witz: Tarek Ehlail, sonst im „bürgerlichen Leben“ Inhaber des Saarbrücker Piercing- und Tatoo-Studios AK47 und Betreiber des kleinen Unternehmens Sabotakt (das nicht nur Filme produziert, sondern auch echte „Fightclubs“ initiiert), hatte eher so aus Spaß ein Drehbuch zum dem Roman von Moses Arndt geschrieben und bei der Saarland Medienförderung eingereicht. Als völlig überraschend die Zusage der Förderung eintrudelte, beschlossen Ehlail und sein Mitstreiter Matthias Lange, dann eben richtig in die Vollen zu gehen. Mit Hilfe von Claude-Oliver Rudolph, mit dem Tarek Ehlail befreundet ist, gelangte die Crew an die Handy-Nummern einiger großer Namen der deutschen Schauspielszene und konnte einige Hochkaräter für schmales bis gar kein Geld in den Film einbinden – neben Claude-Oliver Rudolph, Martin Semmelrogge und Rolf Zacher fand sich auch Stipe Erceg bereit, den Cast zu veredeln.

Chaostage – We are Punks! erzählt die beinahe wahre Geschichte der berüchtigten Chaostage von Hannover und widmet sich der Frage, wie es zu den Chaostagen kommen konnte. Wobei die Erklärung, die Tarek Ehlail und Matthias Lange geben, die wahrscheinlich verrückteste ist. Der Punk Mitch (Christoph Letkowski) hat die Schnauze gestrichen voll von der Ödnis und der Szene, die den Arsch nicht hochkriegt. Als er sich für Schikanen seitens der Obrigkeit an der Polizei rächen will, erschießt er einen der Beamten. Sein Freund Didi (Ulrich Faßnacht) hingegen geht anders mit dem Frust um: Bei dem Versuch, sich in der Badewanne das Leben zu nehmen, bricht er durch den Boden seiner Wohnung und landet unsanft ein Stockwerk tiefer in einem Supermarkt, bei dem wegen des Aufpralls die Scheiben zu Bruch gehen, was den Punk Kalle – eben noch im Clinch mit Nazi-Skins – zum Plündern animiert. Schnell befinden sich die rasch zusammenkommenden Skins und Punks mitten in der schönsten Prügelei. Und die herbeigerufene Polizei befördert das Chaos noch weiter. So weit, so gut.

Doch Chaostage – We are Punks! begnügt sich nicht damit, ein ziemlich absurder Spielfilm sein zu wollen, sondern unterfüttert das Ganze noch mit Zeitzeugen, die sich an die „echten“ Chaostage erinnern. In locker eingeschobenen Interviewpassagen (v)erklären alte Recken der Punkszene wie Slime-Sänger Dirk Jora, Wally Walldorf von Toxoplasma, Mirco „Micro“ Bogumil von den Abstürzenden Brieftauben und der Frontmann der Kassierer-Wolfgang Wendland, wie es „damals“ wirklich war. Das hat dann beinahe etwas von einem erinnerungsseligen Herrenabend.

Um es kurz zu machen: Chaostage – We are Punks! ist kein guter Film – zumindest nicht im herkömmlichen Sinne. Und will es vermutlich auch nicht sein. Getreu der Punkdevise des Do it yourself, die den Dilettantismus zum Wirkprinzip erhob, sucht — und findet – der nobel besetzte Film den Trash und wird so seine Zielgruppe sicherlich erreichen. Chaostage, so Tarek Ehlail in einem Interview mit Jan Sedelies der Peiner Allgemeinen Zeitung, „sollte entweder mit einem Augenzwinkern oder mit drei Promille geschaut werden.“ Na denn Prost!

Mancher verschreckte Zuschauer mit – sagen wir mal – eher bildungsbürgerlichem Hintergrund mag den Film in seiner bewusst schmutzigen Collage-Technik aus Sex, Gewalt und guter Laune für einen mehr oder minder deutlichen Aufruf zur Gewalt halten. Für diese Art von Zielgruppe dürften die beiden Filmemacher aber ihr Werk kaum gedacht haben. Kinobetreiber sollten auf jeden Fall eine Menge Mut mitbringen, wenn sie diesen Film ins Programm nehmen. Oder vor einer umfassenden Renovierung der Räumlichkeiten nicht zurückschrecken.

Chaostage - We are Punks!

Wer beim diesjährigen Max-Ophüls-Festival am Freitagabend vor dem Saarbrücker Cinestar auflief, glaubte sich zunächst womöglich auf der falschen Veranstaltung. Oder im falschen Film. Es war aber doch der richtige. Denn die Hunderte von Punks, die vor den Kinos herumhingen, Bier tranken und zur lauten Musik heftig abpogten, waren keine spontane Versammlung, sondern ausschließlich wegen eines Film gekommen, der ihr Lebensgefühl auf den Punk(t) bringt: Chaostage – We are Punks von Tarek Ehlail und Matthias Lange.
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