Haus und Kind

Eine Filmkritik von Peter Gutting

Ein Egomane in der Falle

Wann ist der Mann ein Mann? Etwa bloß dann, wenn er nicht nur einen Top-Job, ein schickes Auto und eine tolle Frau hat? Sondern auch noch ein Haus und ein Kind? Fragen über Fragen, aus denen Drehbuchautor Wolfgang Kohlhaase und Regisseur Andreas Kleinert eine hochintelligente, federleichte Komödie basteln.
Dass Kohlhaase glänzende Dialoge und präzise Alltagsszenen schreiben kann, wussten wir spätestens seit Sommer vorm Balkon. Und dass Kleinert ein Händchen für menschliche Abgründe hat, ist seit Freischwimmer ebenfalls bekannt. Aber dass sich die beiden bei ihrer ersten Kooperation so kongenial ergänzen würden, ist eine angenehme Überraschung. In Haus und Kind erweisen sie sich als Meister der hingehauchten Pointen. Etwa wenn wir zunächst den Protagonisten beim Seitensprung sehen und – Schnitt – eine Sekunde später die Matratze der Eheleute beim heiß ersehnten Einzug ins Haus auf dem Lande. Da ist klar: Hier zwingt einer etwas zusammen, was nicht zusammengehört.

Bernd Neumann (Stefan Kurt) ist nämlich nicht nur ein angesehener Geschichtsprofessor, sondern zugleich ein kleines Kind. Er will einfach alles, und das sofort. Ich, ich, ich – das Anspruchsdenken kennt keine Grenzen. Deshalb betrügt er seine Ehefrau (Marie Bäumer), die angeblich keine Kinder bekommen kann, mit einer Jüngeren (Stephanie Schönfeld), von der er sich Nachwuchs erhofft. Und er verschweigt seiner Geliebten, dass er einen anderen großen Traum verfolgt: Mit seiner Ehefrau in ein Traumhaus auf dem brandenburgischen Lande zu ziehen. Dort wohnt zwar noch eine alte Frau mit unverkennbarer DDR-Sozialisation, aber die wird mit eleganten Juristentricks aufs Abstellgleis geschoben. Die Wunden der deutsch-deutschen Vereinigung lassen grüßen.

Dass einer wie Bernd Neumann eins übergebraten kriegt, wünscht sich natürlich nicht nur das weibliche Publikum. Und das geschieht dann auch – ohne den großen Hammer zu schwingen, einfach nur, indem man den Egomanen in selbst gestellte Fallen tappen lässt. Es ist einfach herrlich, wie Kleinert und Kohlhaase mit scheinbar harmlosen Mitteln eine süffisante Situationskomik entfalten. Damit treiben sie den Protagonisten derart in die Enge, dass zuletzt ein bloßes Achselzucken genügt, um den Kinosaal zu erheitern.

Noch schöner ist aber, dass uns der Unsympath trotz allem nicht völlig fremd wird. Sind wir nicht alle ein bisschen egoistisch? Und werden wir nicht alle ein bisschen schwach, wenn sich persönliche Vorteile ohne großes Aufsehen irgendwie mitnehmen lassen? Man muss da nicht gleich an Bonuszahlungen oder Lustreisen denken. Es geht auch eine Nummer kleiner. Etwa wenn die Ehefrau Bernd von einem Traum erzählt, in der sie in der Sauna sitzt und ein fremder Mann kommt rein mit einem offensichtlichen Lustversprechen. Im Traum sagt sie nein, das mache ich nicht. Aber als sie im Wachzustand darüber nachdenkt, kommen die – in ihrem Fall berechtigten – Zweifel, ob sich die bis in den Traum reichende Tugendhaftigkeit wirklich auszahlt. Unterhalb der Komödienoberfläche liefert Haus und Kind deshalb nicht nur eine treffende Diagnose der egoistischen Exzesse unserer Zeit. Sondern der Film stellt sich der ewigen Frage, ob man nicht manchmal Grenzen überschreiten möchte. Und ob man bereit ist, die Konsequenzen zu tragen.

Zwar geht es an der Oberfläche um Männerfantasien. Aber unterm Strich ist Haus und Kind ein Film über Frauen. Über ihre Kraft, ihre Souveränität und ihre stille Überlegenheit. Dazu tragen auch die schrullige Gudrun Ritter und die derbe Karin Neuhäuser in zwei funkelnden Nebenrollen bei. Eigentlich erstaunlich, dass dieser Film von Männern gemacht wurde. Wahrscheinlich von solchen, die erkannt haben, dass die Frage „wann ist der Mann ein Mann“ falsch gestellt ist. Denn mit ihr beginnt der ganze Schlammassel.

Haus und Kind

Wann ist der Mann ein Mann? Etwa bloß dann, wenn er nicht nur einen Top-Job, ein schickes Auto und eine tolle Frau hat? Sondern auch noch ein Haus und ein Kind? Fragen über Fragen, aus denen Drehbuchautor Wolfgang Kohlhaase und Regisseur Andreas Kleinert eine hochintelligente, federleichte Komödie basteln.
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